Zitiert: Der Info-Link zur Demokratie

Bei Netflix, Spotify & Co. braucht es den aktiven Nutzer und die aktive Nutzerin, um den Stream der immergleichen Serien zu beenden. Und es braucht den aktiven Nutzer und die aktive Nutzerin, der oder die sich auf die Suche nach Nachrichten begibt.

Dies ist der entscheidende Paradigmenwechsel in der Mediennutzung: In der linearen Medienwelt musste der- oder diejenige aktiv werden, der Nachrichten vermeiden wollte: Handeln, um keine News zu konsumieren. In der nonlinearen Welt braucht es den aktiven Nutzer, damit News konsumiert werden.

Wenn wir uns dieser Veränderung mit der Brille derjenigen nähern, die unsere Medienordnung schufen, um Meinungsvielfalt zu sichern, dann muss an dieser Stelle Regulierung dringend nachziehen. Die Medienpolitik hat seinerzeit bewusst auf Vollprogramme gesetzt, um möglichst viele Menschen auch mit Information und vielfältiger Meinung zu erreichen. Und niemand wird der Feststellung widersprechen, dass Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit heutzutage mehr denn je in Gefahr sind. […]

Die Aktivisten der „Humane Technology“-Bewegung fordern, das Autoplay der nächsten Folge beim Serien-Streaming abzuschalten. Gegen Mediensucht und „Binge Watching“: Menschenfreundliche humane Technologie bedeute eben, im Design nicht jede mögliche Versuchung vorzusehen, sondern ebendiese möglichst zu vermeiden.

Die Aktivisten einer meinungsvielfältigen Gesellschaft sollten entsprechend fordern, dass nonlineare Medien aktiv Nachrichten und Informationen anbieten müssen – quasi ein Autoplay für die Tagesschau. Die Nutzer*innen müssen auch bei nicht-linearen Plattformen ins Stolpern kommen. Sie müssen sich aktiv entscheiden und ihre Fernbedienung aus den Sofakissen bergen, ihre Handys von der Ladeschale nehmen und „Ich möchte keine Nachrichten schauen“ drücken, um Informationen zu vermeiden. So, wie sie in linearen Kanälen aktiv umschalten müssen, wenn sie keine News wünschen. […]

Denkbar wäre, dass per Rundfunkbeitrag finanzierte Informationsinhalte allen Anbietern zur Verlinkung zur Verfügung stehen. Dann müssten Netflix, Spotify & Co. – auch, wenn sie es angesichts ihres kommerziellen Erfolges ohne Zweifel könnten – nicht in die teure Produktion von Nachrichten und Information einsteigen. Aber das sind Details. …

Im Kern muss Medienregulierung also sicherstellen, dass Nachrichten weiter ihre Nutzer*innen finden. In dieser Richtung. Und nicht Nutzer*innen ihre Nachrichten aktiv suchen müssen.

Björn Staschen, journalist.de, 9.5.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)