Zitiert: Wie kommt es, dass die Normgesellschaft sich radikalisiert und die Jagd auf Außenseiter eröffnet?

Wie macht man aus Menschen wütende Bestien, die Andersseiende verfolgen und hetzen? Frust muss sich anstauen, Druck sich aufbauen. Unerträglicher Druck. Der Druck auf einem System, in dem der Einzelne hilflos und überfordert ist angesichts der Ungerechtigkeit, des massiven Stresses, der politischen Zumutungen. Allein mit seinen Ängsten und auf der Suche nach einer starken Gemeinschaft. Die Zwänge, in diesem System halbwegs zu funktionieren, das der Kapitalismus hervorbringt und das unüberwindlich scheint, müssen absolut sein. Das Bedürfnis nach einem Ventil, wo der Frust, die unterdrückte Aggression sich entladen darf, ohne sozial oder strafrechtlich sanktioniert zu werden, muss schier unwiderstehlich sein. Und dann, der zweite notwendige Faktor: Das politische System, der Staat, muss ein solches Ventil anbieten. Pure Herrschaftstechnik. Die Forderung nach dem Kassieren der Bürgerrechte von Huren und Transmenschen ist Ausdruck genau dieses Willens, ein Ventil zur gesellschaftlichen Druckentlastung zu schaffen durch Feindbilder: die Transfrau als verkappter Mann, der sich in die Gemeinschaft der Frauen einschleichen will, um sie zu stören. Um die Frau selbst „abzuschaffen“. Die Hure als Sündenbock, die Männer zu Sexmonstern macht – lassen wir uns nicht von den vermeintlichen Rettungsfantasien der Neopuritaner täuschen.

Je mehr Stress auf einem politischen System lastet, umso stärker ist diese Tendenz. Sie drückt ein Bedürfnis aus, das von den sozial prekären Schichten bis in die Mitte des Bürgertums nach Linderung hineinschreit – je nachdem, wie sehr sich der Daseinskampf ins Unerträgliche steigert.

Hanna Lakomy, berliner-zeitung.de, 31.7.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)