Für kleine und große Sammlungen digitalisiert das Projekt SAVE (Sicherung des audio-visuellen Erbes in Sachsen) seit 2019 sächsische Bewegtbilder und Tondokumente, die nicht von professionellen Studios oder überregionalen Fernsehanstalten aufgenommen wurden, sondern von lokalen Film-Amateur:innen, Feldforscher:innen und Künstler:innen. Die aktuelle Ausstellung stellt sie auf Augenhöhe vor. Familien-Selbstportraits, Reiseimpressionen, Aufnahmen von Stadtfesten: das Gewöhnliche und das scheinbar Beiläufige verwandeln sich in der historischen Distanz in berührende Zeugnisse eines nicht normierten, neugierigen Blicks, den die Ausstellung mit ihrem vielseitigen Präsentationskonzept wieder ganz gegenwärtig werden lässt. „Der bewahrte Blick“ präsentiert neben kleinformatigen filmischen Fundstücken aus dem sächsischen Alltagsleben der 1920er bis 1970er Jahre auch großflächige Projektionen auf Augenhöhe. Frühe Lokalfernsehformate mit dem Charme des Handgemachten und die vergessene Sprechbrieftechnologie – gewissermaßen der Vorgänger der Voicemail – stellen weitere Bestandteile eines vergangenen multimedialen Alltags vor. In der „Schatzkammer“ wiederum zeigt die Ausstellung, anküpfend an die überraschend “filmische” Bildlichkeit des hier aufbewahrten Maya-Codex, den Produktionsprozess und Lebensweg analoger Alltagsbilder und -klänge, von historischen 8mm-Kameras über Selbstschnittplatten bis hin zur digitalen Langzeitsicherung im Rahmen von SAVE.
Die Performance »Wüstes Herz im Ascheregen« führte Rex Joswig, Frontmann der Band »Herbst in Peking«, bisher einmal in Berlin auf, und zwar am 31. August 2021 – Wolfgang Hilbigs 80. Geburtstag. In der Klangperformance webt er Hilbigs lyrische Zeilen in sphärische Kompositionen ein. Joswig überträgt so Hilbigs hohen ästhetischen Anspruch, der u.a. bis zu Mallarmé und Novalis zurückreicht, auf eine zweite klangliche Ebene. Dazu bringt der Indie-Musiker mit dem originären Sound selbst einen ganzen Kosmos mit – so spielt etwa der Name »Herbst in Peking« auf Boris Vians Roman über das Scheitern an. Zudem arbeitete Joswig eng mit Bert Papenfuß-Gorek zusammen – jenem Prenzlauer-Berg-Dichter, den Hilbig 1984 dem Hessischen Rundfunk gegenüber als »bedeutendsten Lyriker der DDR« bezeichnet hatte und der am 26. August dieses Jahres verstorben ist. Als DJ arbeitet Joswig schließlich im Berliner »Kaffee Burger«, einst Treffpunkt für Thomas Brasch, Adolf Endler und andere und nach wie vor Ort unabhängiger Künste. Joswigs Radioshow »Grenzpunkt Null« beim Sender DT 64 wird inzwischen als »Grenzpunkt Null Reloaded« auf Reboot.FM ausgestrahlt. Auf diese Sendung geht auch die Hilbig-Show zurück.
„Power von der Eastside!“ war der selbstbewusste Slogan des einstigen DDR-Jugendradios DT64, mit dem am 31.12.1991 Schluss sein sollte, wie festgelegt in Artikel 36 des Einigungsvertrags zwischen BRD und DDR. Denn der bedeutete, dass auf deren ehemaligem Territorium eine Medienlandschaft adäquat der bundesdeutschen entstehen sollte, in der entsprechend für ein übergreifendes Jugendradio kein Platz vorgesehen war, dass zumal ein Medien-Vertreter des nun untergehenden bzw. beitretenden Staates war. DT64 jedoch war ein Sender, der zwar vor dem Herbst 1989 kaum von politischen Leitlinien abweichend agieren konnte, dem es ab Herbst 1989 aber gelang, eine äußerst freie und lebendige Art an Jugendradio zu entwickeln und auf der Höhe der Zeit sowie auf Augenhöhe mit der Hörerschaft auf die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren. Was eine Identifikation erzeugte, die sich offenbarte, als sich im Herbst 1991 eine vor allem jugendliche Massenbewegung zur Rettung formierte und den vertraglich scheinbar unumstößlich festgelegten Lauf der Geschichte doch noch leicht änderte.
„Power von der Eastside!“ als von Leipzig ausgehendes Projekt der Publikationsplattform ZONIC erinnert nun an dieses phänomenale Geschehen mit einer Ausstellungs- und Präsentationsreihe, deren Stationen in den Jahren 2021 und 2022 bereits Dresden, Chemnitz, Berlin, Leipzig, Greifswald, Schwerin und Rostock waren.
Gezeigt wird dabei, wie mit Mahnwachen, Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Straßenfesten, Konzerten, Raves, winterlichem Protest-Campen, Besetzungen von Sendern oder Staatskanzleien, Hungerstreiks und vielen anderen Aktionsformen sowie kluger politischer Argumentation und Kommunikation der notwendige öffentliche Druck entstand. Wobei es sogar zu intensiver Ost-West-Kooperation kam, denn von den circa 80 DT64-Initiativen entstanden mehr als ein Viertel im Empfangsstreifen westlich der früheren deutsch-deutschen Grenze. Was dieses Massenengagement für ein Massenmedium zur wohl ersten tendenziell gesamtdeutschen sozialen Bewegung überhaupt machte.
Ausstellung und Präsentationsreihe Halle, 29. September – 5. November 2023
Öffnungszeiten: Mo-Fr: 10-22 Uhr, Sa-So: 15-22 Uhr
Mit Marion Brasch (Ex-DT64/Radio Eins) und Rex Joswig ((Herbst in Peking/Grenzpunkt Null) Der erkämpften Rettung von DT64 mit der Übernahme durch den MDR folgte die Umbenennung in Sputnik, während ein Teil der prägenden DT64-Figuren im fusionierten Berlin-Brandenburger Rundfunk landete, wenn auch teils abseits der Mikrofone. Was allerdings nicht für Marion Brasch gilt, die sich besonders für den Sender engagierte und heute zu den beliebtesten Stimmen von Radio Eins in Berlin zählt, mittlerweile aber auch als Schriftstellerin erfolgreich ist und sich dem Erbe der Brasch-Familie widmet. Grenzpunkt Null, die Sounds und Poesie mixende Show von Rex Joswig hingegen, die 1992 noch bei DT64 startete und dann bis 1998 auf MDR Sputnik zu hören war, fiel wohl der zum Fetisch erhobenen „Durchhörbarkeit“ zum Opfer. Seit 2010 lebt sie allerdings im freien Radio fort, als Grenzpunk Null reloaded. Zusammen wollen sie sowohl eine Rückschau als auch eine kritische Betrachtung der Entwicklungen von DT64 hin zu heutigem Radio unternehmen und der Frage nachgehen, ob und wie die erwachsen gewordene Popkultur im Medium Radio noch präsentiert werden kann.
Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB
Öffentlich-rechtliche Medien können ihren Auftrag nur mit ausreichend Vertrauen und Akzeptanz der Bürger*innen erfüllen. Dafür müssen sie sowohl inhaltlich überzeugen als auch einen zunehmend vom Publikum gewünschten Austausch sicherstellen. Doch in der Medienpolitik sind die Qualität des öffentlich-rechtlichen Programms, die ohne kompetente und motivierte Mitarbeiter*innen nicht möglich wäre, und die Rückbindung an die Nutzer*innen bisher eher unterbelichtete Themen. Auch ist aus den Rundfunkanstalten wenig darüber bekannt, wie die Ergebnisse aufwändiger Dialogprozesse mit dem Publikum für die Redaktionen systematisch ausgewertet und nutzbar gemacht werden.
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