Ulrich Kasparick war einmal Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär (SPD) und ist seit einigen Jahren wieder Pastor in Hetzdorf, einem Dorf in der Uckermark. Er verbindet also intime Kenntnisse sowohl des politischen Betriebs wie des Landlebens in Ostdeutschland. Eindrucksvoll weist er auf ein zentrales Problem hin: Die Demokratie lebt vom öffentlichen Gespräch – dies aber hat in den östlichen Landgebieten keinen Ort und keine Tradition. Was beschönigend als „demographischer Wandel“ beschrieben wird, ist in Wahrheit eine Stillstellung und Entleerung des öffentlichen Raums, besser gesagt seiner noch bestehenden Reste. Es gibt kaum noch soziale Orte, an denen man miteinander direkt, offen und persönlich über Politik diskutieren und von Angesicht zu Angesicht streiten kann.
Es fehlen Räume, Veranstaltungen, Treffpunkte und Ansprechpartner. Wo also kann man „mal reden“? Dieser Mangel ist dadurch verschärft, dass es seit jeher in ländlichen Gegenden eher ungewöhnlich ist, offen über politische Streitfragen zu sprechen
Johann Hinrich Claussen, sueddeutsche.de, 1.10.2017 (online)
Buch: Ulrich Kasparick: Man kennt sich. In: Alternative für Christen? Die AfD und ihr gespaltenes Verhältnis zur Religion, hrsg. von Wolfgang Thielmann, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2017