Dokumentiert: Offener Brief der Eiskanalsportler an ARD und ZDF

Mit diesem Brief bitten Unterzeichner ARD und ZDF, Ihre Wintersportplanung ab dem kommenden Winter zu überdenken und den Eiskanalsportarten Rodeln, Bob und Skeleton mehr Sendezeit einzuräumen.

 

Leistung muss sich wieder lohnen

Die Rodler, Skeletonis und Bobfahrer bringen seit Jahrzehnten Weltklasseleistungen, holen Weltcupsiege, Welt- und Europameistertitel sowie Medaillen bei Olympischen Spielen en Masse, müssen sich bei den Sendezeiten aber meist hinter den Disziplinen Biathlon, Ski Alpin, Ski Nordisch (insbesondere Skispringen) anstellen.

Betrachtet man die vergangene Weltcupsaison und vor allem die Weltmeisterschaften, schnitten die Eiskanalsportarten mit Abstand am besten ab. Sechs von Neun Goldmedaillen in den olympischen Disziplinen gingen nach Deutschland.

TV-Sendungen vom Rodeln, Bob oder Skeleton werden aber seit Jahren zur Schiebe- und Füllmasse der Wintersportübertragungen degradiert. Mit welcher Berechtigung werden Skispringen, Alpinrennen oder Biathlonwettbewerbe von der ersten bis zur letzten Minute übertragen, während vom Bob, Skeleton oder Rodeln meist nur Zusammenfassungen gezeigt werden?

 

TV-Quoten als alleiniges Kriterium?

Es ist unbestritten, dass Biathlon mit den neuen Formaten eine sehr interessante TV-Sportart ist und riesige Einschaltquoten einfährt. Aber ist die Quote für beitragsfinanzierte TV-Sender wirklich das einzige Kriterium? Falls ja, sind Sie sich sicher, dass die rasanten Eissportarten unter ähnlichen Bedingungen (vergleichbarer Sendeplatz, Sendezeit und Länge, regelmäßige Liveberichterstattung) nicht ähnliche Quotenchancen hätten? Wir möchten Sie nur daran erinnern, dass bei den Olympischen Spielen von Turin im Einschaltquotenranking aller Sportarten zwei Bob-Programme auf den Spitzenplätzen bei ARD und ZDF lagen. Also erzählen Sie nicht, Eiskanalsportarten hätten kein Quotenpotential.

 

TV-Sender diktieren die für Zuschauer unfreundlichen Startzeiten

Trotz der vergleichsweise geringen Präsenz im deutschen TV versuchen die Sender, die Startzeiten der Wettbewerbe zu diktieren, „sonst könne man eine TV-Präsenz nicht garantieren.“ So lassen die Veranstalter zähneknirschend Startzeiten um 9 Uhr ausschreiben, manchmal sogar noch davor. Wie viele Zuschauer um diese Zeit an die Bahnen kommen, können Sie sich denken.

 

TV-Präsenz einzelner Sportler

Wie unterschiedlich Leistungen gewürdigt werden, sieht man auch an den Interviews. Während in anderen Sportarten ausgeschiedene oder weit hinten platzierte Sportler ausführlich interviewt werden, kommen beim Rodeln, im Bob und Skeleton oft nicht einmal Silber- und Bronzemedaillengewinner zu Wort. Sogar unsere Weltmeister bekommen weniger Sendezeit, als die erfolglosen Sportler der anderen Sportarten. Die Vor- und Nachberichterstattungen bei Biathlon-, Alpin- oder Skisprungwettbewerben nehmen oft mehr Sendezeit in Anspruch, als der gesamte Bericht eines Wettkampfes aus dem Eiskanal.

Wir freuen uns auch, wenn in anderen Sportarten sogar die Siegerehrungen ausführlich im TV Berücksichtigung finden, zum Beispiel eine Medaillenvergabe bei der Alpinen Ski WM, die fast 15 Minuten in der ARD übertragen wurde. Die Siegerehrungen der Eisbahnsportarten sieht man allerdings so gut wie nie im Fernsehen.

 

Alpine Siegerehrungen auf den Internetseiten der Sender, Embargo für Web-Übertragungen aus dem Eiskanal

Wir sind auch angenehm überrascht, dass auf den Internetseiten der öffentlich/rechtlichen Sender Siegerehrungen von der alpinen Ski-WM live als Stream übertragen wurden.

Bei den FIBT-Sportarten (Bob und Skeleton) verhindern ARD und ZDF leider sogar die offiziellen Livestreams. Während man in Amerika, Afrika oder Australien die Bob- und Skeletonrennen live im Internet verfolgen kann, bestehen ARD und ZDF in Deutschland auf ihr Recht, Livestreams zu verhindern. Durch dieses Geoblocking haben Sportfans in Deutschland keine Chance, die Rennen wenigstens live und ausführlich im Internet zu verfolgen, wenn die TV-Sender dieser Aufgabe schon nicht nachkommen.

 

Schieflage bei Sportlergehältern

Mit Ihrer Senderpolitik vergrößern Sie auch den Graben zwischen Arm und Reich im deutschen Sport. Einige Sportlerinnen und Sportler (auch ehemalige) aus den Bereichen Alpin und Biathlon werden im Bereich der Einkommensmillonäre vermutet (SID, 24.2.2010). In den Eiskanalsportarten ist man schon froh, wenn Fördermittel und Sponsorengelder für die immensen Transportaufgaben reichen. Auch hier sollten öffentlich/rechtliche Sender eher für Ausgleich als für noch mehr Ungerechtigkeit sorgen.

 

Reaktionen:

 

 

Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) findet die Kritik seiner Athleten nicht gerechtfertigt. „Das ist nicht die Haltung des Verbandes. Wenn wir der Meinung sind, dass es etwas zu verbessern gibt, dann suchen wir das Gespräch. Es gibt zwar immer etwas zu verbessern, aber nicht in einem offenen Brief oder mit Rumgejammere“, sagte Generalsekretär Thomas Schwab dem SID.

 

Focus

 

ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz reagierte gelassen: „Diese Sportarten sollten wissen, dass sie ihre hohe Akzeptanz und Präsenz im Fernsehen vor allem dem bewährten Verbund mit Disziplinen wie Biathlon, Skispringen oder Ski alpin zu verdanken haben.“ … Immerhin verfolgten durchschnittlich 2,57 Millionen Zuschauer die ZDF-Übertragungen in diesem Winter. Das ist der höchste Wert seit mehr als acht Jahren. Vor allem im Biathlon gab es eine Steigerung auf 3,85 Millionen Zuschauern (Vorsaison: 3,39 Mio), im alpinen Ski-Bereich auf 2,14 Millionen (Vorjahr: 1,64 Mio.)

 

Augsburger Allgemeine

 

 

Berichterstattung darüber auch in:

 

stern.de

 

handelsblatt.com

 

Märkische Oderzeitung

 

zeit.de

 

faz.de

 

 

 

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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