Dokumentiert: Produzentenverbände kritisieren Produzentenallianz

In einem Brief schildern sechs Produzentenverbände (agdok, film und fernsehproduzentenverband nrw, filmbüro nw, Mittedeutscher Film- und Fernsehproduzentenverband, Verband Deutscher Filmproduzenten, VFFmedia) die aktuelle Situation der unabhängigen Produktionswirtschaft im Bereich des Dokumentarfilms. Sie stellen fest, dass die Produzentenallianz in den Verhandlungen mit ARD und ZDF keine wesentlichen Verbesserungen für die Dokfilmer erreicht haben.

 

 

„Vor einigen Tagen haben rund 15 Produktionsfirmen aus der Dokumentations-Sektion der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen (Produzentenallianz) „Eckpunkte zur vertraglichen Zusammenarbeit mit der ARD“ vereinbart und veröffentlicht.

Im Namen von gut 1000 Dokumentar-Filmschaffenden, die durch unsere Verbände vertreten werden, können wir trotz einiger kleiner, durchaus erfreulicher Verbesserungen in dieser Vereinbarung keinen substanziellen Fortschritt für die prekäre Situation unserer Branche erkennen.

Im Gegenteil: schon die Grundaussagen der Eckpunkte sind in mehrfacher Hinsicht falsch und deshalb für uns nicht akzeptabel. Die unterzeichnenden Verbände sprechen daher der Produzentenallianz noch einmal in aller Deutlichkeit das Recht ab, mit den Fernsehsendern verbindliche Vereinbarungen im Namen der deutschen Dokumentarfilm-Wirtschaft zu treffen, und sehen diese Auffassung durch ein im März veröffent-lichtes, letztinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts Dresden bestätigt.

Die Produzentenallianz repräsentiert nachweislich nur einen kleinen Teil der deutschen Dokumentarfilm-Wirtschaft, die Belange der Dokumentarfilm-Urheber sind durch sie überhaupt nicht vertreten.

Insbesondere der Behauptung, „dass mit den vorliegenden Eckpunkten ausgewogene Vertragsbedingungen sowie eine faire Aufteilung von Verwertungsrechten gewährleistet werden“, müssen wir entschieden widersprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Schein-Konzessionen wie die bescheidene Erhöhung der kalkulationsfähigen Overhead-Kosten der Produktionsfirmen (so genannte „Handlungskosten“) können nicht verschleiern, dass dafür die Forderung nach wirklich wirksamen Verbesserungen preisgegeben wurde. Die chronische Unterfinanzierung der meisten dokumentarischen Fernsehproduktionen wird durch die jetzt getroffene Vereinbarung nicht einmal ansatzweise behoben, zugleich wird eine strukturelle Ungleichbehandlung gegenüber Produktionen im fiktionalen Bereich festgeschrieben. Sowohl die vereinbarte Erlösbeteiligung als auch der Zahlungsplan fallen in wesentlichen Punkten deutlich hinter den Vertragsstandard für fiktionale Auftragsproduktionen zurück.

Besonders schädlich ist in diesem Zusammenhang der Verzicht auf die seit Jahren von der gesamten Dokumentarfilmbranche gemeinsam vertretene dokumentarfilm-spezifische Forderung nach Bezahlung des umfangreichen Entwicklungs- und Rechercheaufwands durch die Auftraggeber. In dieser Frage ist die Produzentenallianz jetzt plötzlich der gleichen Auffassung wie die Sender und glaubt, „dass die Recherche für Dokumentationen grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko der Produzenten zählt.“

Ansonsten vollziehen die Eckpunkte weitgehend das nach, was bereits vor dreieinhalb Jahren zwischen Produzentenallianz und ARD für die Fernsehspiel- und Serienpro-duktion vereinbart wurde. Was die öffentlich-rechtlichen Sender einer Protokollnotiz des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zufolge schon vor Jahren „im Rahmen ihrer Selbstverpflichtung“ von sich aus hätten gewähren sollen, nämlich „ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung von Verwertungsrechten“, wird hier zum Gegenstand eines unausgewogenen Abschlusses, bei dem die deutschen Dokumentarfilmproduzenten nicht viel gewonnen, aber einiges verloren haben. Der Produzentenallianz scheint dieses Dilemma durchaus selbst bewusst zu sein, wenn sie in ihrer mit den Eckpunkten veröffentlichen Presseerklärung vom „Erreichen einer Etappe“ spricht und davon, „dass wir damit noch lange nicht am Ende sind“. Gleichzeitig aber schreibt sie die Eckpunkte auf Jahre hinaus bis zunächst zum Herbst 2016 fest. Siegesmeldungen und echte Interessensvertretung sehen anders aus.

Die hier unterzeichnenden Verbände sind sich darüber einig, dass die Situation der deutschen Produktionswirtschaft jetzt eine entschiedene und pragmatische Interessen-vertretung, aber keine lauen Kompromisse braucht. Die Produzentenallianz kann das unserer Auffassung nach schon deshalb nicht allein leisten, weil die starke Präsenz von Tochter- und Beteiligungsunternehmen der öffentlich-rechtlichen Sender in dieser Organisation eine konsequente Verhandlungsstrategie im Sinne der unabhängigen Filmschaffenden und Produktionsfirmen von vornherein unmöglich macht.

Ausgewogene und faire Verträge zwischen Sendern und Filmschaffenden sind erst dann gewährleistet, wenn sich ARD und ZDF ernsthaft auch mit allen unabhängigen Produzenten und Filmschaffenden an einen Tisch setzen und eine Einigung erzielen, die tatsächlich von einem nennenswerten Teil der deutschen Dokumentarfilm-Wirtschaft getragen wird. Insofern ist der Protokollnotiz zum 12. Rundfunkstaatsvertrag keineswegs bereits ausreichend Rechnung getragen, sie ist vielmehr aktueller denn je.“

 

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