Dokumentiert: Wie das Fernsehforschungspanel zusammengesetzt ist

 

„Das Fernsehforschungspanel der AGF besteht aus mindestens 5000 täglich berichtenden Haushalten. Die Berichtsmasse kann zwar aufgrund von Austritten bzw. Neuanwerbungen sowie gelegentlichen technischen Problemen beim Abruf der Daten geringfügig schwanken, die vertraglich festgelegte Untergrenze von 5000 erfolgreich abgerufenen Haushalten pro Tag darf dabei aber nicht unterschritten werden.

 

Einer der wichtigsten Lehrsätze der empirischen Sozialforschung lautet, dass eine Stichprobe, in der Leistungswerte erhoben und auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden, für eben diese Grundgesamtheit repräsentativ sein muss. Das bedeutet: Die Stichprobe (das Fernsehpanel) und die Grundgesamtheit (die Bevölkerung) müssen in der Verteilung der für den Messgegenstand (die Fernsehnutzung) maßgeblichen Variablen übereinstimmen. Die die Fernsehnutzung maßgeblich bestimmenden Faktoren sind die Soziodemografie, inklusive der regionalen Verteilung der Panelteilnehmer, sowie die Fernsehempfangstechnik in deren Haushalten. Diese Parameter werden bei der Anwerbung neuer Panelteilnehmer als Steuerungsmerkmale genutzt. In der Anwerbung werden nur teilnahmebereite Privathaushalte mit mindestens einem Fernsehgerät, das sich auch im Gebrauch befindet, berücksichtigt.

Die Steuerungsmerkmale des AGF-Panels, die in sogenannten Zellenplänen dargestellt werden, sind seit dem 1. August 2012 neu geregelt. Die Zellenpläne liegen je Bundesland und Empfangsebene vor. Neu aufgenommen wurde zusätzlich IPTV als vierte Empfangsebene neben Terrestrik, Kabel und Satellit (vgl. Abbildung 1). Innerhalb eines Zellplans wird nach den Merkmalen Alter des Haupteinkommensbeziehers (drei Gruppen), Bildung des Haupteinkommensbeziehers (drei Gruppen) sowie Haushaltsstruktur (1-Personen-Haushalte, Haushalte mit zwei und mehr Personen mit/ohne Kinder unter 14 Jahren) sowie bei Kabel und Satellit zusätzlich noch nach Plattform ja/nein unterschieden. Ferner sind noch die Stadt- bzw. Landkreise sowie die Ortsgröße nach BIK für die Aussteuerung bei der Anwerbung relevant. Hieraus ergeben sich 27 bzw. 54 Zellen je Bundesland und Empfangsebene, in der Summe aller Bundesländer 2592 Zellen.

Bis zur Einführung von IPTV gab es einen so genannten 81-Zellenplan mit einer differenzierteren Berücksichtigung der Anzahl von Kindern im Haushalt sowie einer Differenzierung nach sogenannten Ballungsräumen in einigen Bundesländern mit einer Gesamtzahl von 3888 Zellen. Der Vorteil einer derart granularen Aussteuerung der Panelhaushalte wurde allerdings mit dem Nachteil „erkauft“, dass weitere Aussteuerungsmerkmale aufgrund des hohen Komplexitätsgrades nur noch dann in die Zellenpläne integriert werden konnten, wenn dafür auf andere Steuerungsmerkmale verzichtet oder Zellen zusammengefasst wurden.

Quelle für diese Außenvorgaben ist die MediaAnalyse (ma Radio) der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse in Frankfurt (agma), die mit circa 65000 Fällen die größte repräsentative Mediastudie in Deutschland darstellt und demzufolge für viele andere Markt-Media-Studien als Außenvorgabe dient. Damit ist gewährleistet, dass alle diesbezüglichen Studien ein identisches Potenzial bei ihrer Grundgesamtheit, oder Teilen davon, aufweisen. Da die Grundgesamtheit der ma Radio alle Personen ab zehn Jahren umfasst, müssen die Potenziale für die Kinder von drei bis 13 Jahren aus einer anderen externen Quelle, dem Mikrozensus, entnommen werden. Eine weitere Ausnahme bilden die Plattformhaushalte (Pay-TV), deren Potenzial in einer eigenen Studie (Plattformstudie) ermittelt werden und dann als weitere Außenvorgabe für das Fernsehpanel dienen.

„Systeme wie das AGF-Fernsehforschungssystem, das sich zum Beispiel bei der Aussteuerung und der Gewichtung durch einen hohen Komplexitätsgrad auszeichnet, müssen spätestens dann, wenn methodische Erweiterungen unausweichlich sind, auf mögliche Reduktionspotenziale überprüft werden, ohne dabei freilich unakzeptable Einbußen bei der Qualität hinzunehmen. Als ein Beispiel hierfür kann die Zusammenführung

von Berlin-West und Berlin-Ost zu einem einheitlichen Bundesland ab dem Jahr 2012 angeführt werden. Bis dahin waren beide Teile Berlins gesondert ausgesteuert und gewichtet worden, was traditionellen Gründen geschuldet war. Die Behandlung als nunmehr „normales“ Bundesland, infolge der Auflösung der disproportionalen Aufstockung, hatte eine Reduktion der Sollfallzahl um circa 140 Haushalte zur Folge, wobei die neue Sollfallzahl nun exakt den Vorgaben des AGF-Systems entspricht. Demzufolge bekommt zunächst jedes einzelne Bundesland eine Sollfallzahl von 200 Haushalten zugewiesen, die Differenz zur Gesamtfallzahl von 5000 berichtenden Haushalten wird dann bevölkerungsproportional auf die bevölkerungsstarken Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen verteilt.“

 

Karl-Heinz Hofsümmer, Bernhard Engel in Media-Perspektiven, 5/2013, S. 258 ff.

 

 

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