Freiheit und Individualität

„Wofür steht Joachim Gauck? Warum ist er so beliebt? Was steckt hinter der Kritik an seiner Person und seinen politischen Positionen?“ Das fragte Günter Jauch in seiner Sendung. In den Diskussionen drehte es sich immer wieder um die Freiheit, wie Joachim Gauck sie meint. In seiner „Dankesrede“ machte er deutlich, welche Freiheit er zuallererst meint: Die Freiheit der Wahl. Und er stellt fest, dass er nach dem Mauerfall „frei von Unterdrückung“ war und so sich anschickte, „Freiheit zu etwas und für etwas zu erlernen“.

 

Friedrich Engels schriebt im Anti-Dühring (1877) zur Freiheit: „Hegel war der erste, der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte. Für ihn ist die Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. ‚Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird.‘ Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebnen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen.“

 

Wie steht es denn um die Freiheit, auch die Wahlfreiheit, wenn Angela Merkel von „marktkonformer“ Demokratie spricht? („Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber. Das ist eine parlamentarische Demokratie. Deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments. Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben.“) Albrecht Lucke fasst das in den Blättern für internationale Politik so zusammen: „Ein entlarvender Begriff: Denn längst ist die Volksherrschaft keine souveräne mehr, sondern eine simulierte, in steter Abhängigkeit von den Ausschlägen der Börsen.“ Jürgen Habermas bringe das so auf den Punkt: „Weniger Demokratie ist besser für die Märkte“

Wie steht es denn um die Freiheit des Einzelnen in dieser Gesellschaft? Welche Handlungsspielräume haben die Menschen, so die Schüler und Schülerinnen sowie die Studierenden? Welche Freiheiten haben denn die Arbeiter, Angestellte und Beamten? Wie weit dürfen denn Politiker und Konzernchefs gehen, gemäß welchen Werten dürfen sie handeln und entscheiden? Ja, welche Freiheiten haben sie denn noch, außer den Regeln des Marktes, der Verwertung, des finanzmarktgetrieben Kapitalismus zu entsprechen, wenn sie ihre Position nicht aufgeben, ihr Land bzw. Unternehmen nicht gefährden wollen?

Der isländische Schriftsteller Halldór Laxness beschrieb in seinen Büchern, so in „Atomstation“, wie der Kapitalismus auf Island die Menschen kaputtmacht – nicht nur die Armen, sondern auch die Wohlabenden. Dabei bezog er sich auch auf Albert Einstein und dessen Hinweis, dass er dem Kapitalismus nichts so sehr übel nehme, wie dass er die Individualität des Menschen kaputtmache. (MDR Figaro, „Wo Glaube im Spiel ist, hält die Vernunft das Maul“)

Doch wie frei kann man – zumal mit zerstörter Individualität – sein? Welche Individualität wird einem gesellschaftlich zugestanden? Dies wurde in keiner der Talkrunden und Interviews angesprochen.

 

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)