Allein in den Wochen vor der Volkskammerwahl am 18. März gibt es für die AK Einschaltquoten zwischen 28 und 42 Prozent, in absoluten Zahlen 3,6 bis 5,5 Millionen Zuschauer. Auf eine ähnliche Resonanz stößt das Ende Oktober 1989 ins I. Programm genommene Donnerstagsgespräch, das sich den Umbrüchen in der DDR widmet und eine Sehbeteiligung von im Schnitt 29 Prozent (3,6 Millionen Zuschauer) verbuchen kann.
Um diese Zeit sind Hörfunk und Fernsehen längst kein Staatsfunk mehr. Der Medienbeschluss der Volkskammer vom 5. Februar 1990 besiegelt die Unabhängigkeit von Regierung und Parteien.
Allein der DFF hebt zwischen 1989 und 1991 64 neue Formate in sein Programm, obwohl eine realistische Perspektive fehlt und der Haushalt nicht mehr vom Staat garantiert, sondern selbst zu erwirtschaften ist. Zum Springquell der Erneuerung wird das häufig von den Belegschaften gewählte Leitungspersonal, mit dem oft Kolleginnen und Kollegen zurückkehren, die zuvor geschasst wurden oder selbst ausscheiden wollten, weil sie eine reglementierte Kreativität nicht länger ertragen konnten.
Anfang 1991 stellen die Demoskopen von Infas & Partner den Ostdeutschen die Frage: Welche Fernsehstation bietet Ihnen die beste Orientierungshilfe, wenn sich Lebens- und Arbeitsverhältnisse so fundamental ändern, wie das gerade passiert? Dem ZDF bescheinigen das 15, der ARD 26 und dem DFF 29 Prozent. Ein Vertrauensbonus für Adlershof, der allerdings nicht zur Empfehlung taugt, sondern mögliche mediale Gegenwehr andeutet, wenn im Osten der industrielle Kahlschlag grassiert. Pluralität zu proklamieren, bedeutet nicht, sie auch riskieren zu wollen.
Lutz Herden, FREITAG 18/2021 (online)