„Wen interessiert schon, was das Landgericht Köln zur „Tagesschau“-App vom 15.6.2011 meint?“ So hatte der Vorsitzende Richter Dieter Kehl schon vor Wochen gefragt. Seine Wettbewerbskammer werde den Konflikt „nicht zufriedenstellend lösen können“. Vorgestern hatte er dann gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen erklärt: „Ein Gericht kann keine generellen Aussagen zur Medienpolitik machen. Das geht uns nichts an. Wir werden die „Tagesschau“-App nicht verbieten oder nicht nicht verbieten.“ Möglich sei vielmehr nur die Beurteilung einer Momentaufnahme.
Nun hat er es doch getan. Einen Tag später. „Die App der Tagesschau in der Version vom 15. Juni 2011 ist nicht mit dem Rundfunkstaatsvertrag zu vereinbaren.“ So hat es sein Gericht entschieden. Und dies, obwohl das Gericht letztes Jahr in einem „Hinweisbeschluss“ festgestellt hatte, dass mehrere Formulierungen in der Klage wie etwa „hörfunk- und/oder fernsehähnlich“ zu unbestimmt seien. Sie seien ungeeignet, das beantragte Verbot zur Verbreitung der „Tagesschau“-App „hinreichend bestimmt zu umschreiben“.
Festzustellen ist: Die Tagesschau-App setzt das Angebot von tagesschau.de für mobile Endgeräte um. Der NDR-Rundfunkrat sieht die Tagesschau-App durch den Dreistufentest und Rundfunkstaatsvertrag gedeckt. Die zuständige Rechtsaufsicht ist bis heute nicht gegen die Tagesschau-App eingeschritten. Diese hat nach nicht einmal drei Jahren 4,5 Mio. Nutzer.
So ist auch das Gericht der Meinung, dass die App nicht generell verboten werden kann. Entgegen der Auffassung der klagenden Verlage habe die App das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag durchlaufen. Deshalb muss die Klägerseite, die ein generelles Verbot anstrebte, 20 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.
Diemut Roether zitierte vor einiger Zeit aus einer Darstellung der Anwälte: „Ein gemeinsames Papier, das aufseiten von ARD und ZDF ‚alles beim Alten‘ lässt, wäre für die Verlage ohne Sinn.“ (epd medien, 28/2012, S. 4)
Den Zeitungsverlegern ging es mit ihrer Klage gegen die „Tagesschau“-App darum, Druck auf die Medienpolitik zu machen und eine Reform der Mediengesetze in Deutschland anzuschieben. „Es geht um die künftige Architektur des Mediensystems, in dem die Zeitungsverlage sich als wirtschaftlich und publizistisch erfolgreiche Unternehmen weiterentwickeln können“, zitierte spiegel.de den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, von der BDZV-Jahrespressekonferenz.
Das Gericht Köln hat nun diesen Druck weitergegeben. Nun ist die Rechtsaufsicht gefragt. Diese muss überlegen, ob sie dem Gericht in seiner Auffassung folgt. Das muss sie wohl, es sei denn, der NDR geht in die zweite Instanz.
Müssen jetzt Verleger und Sender wieder miteinander verhandeln? Das können sie. Allerdings bleibt ein Rechtsverstoß ein Rechtsverstoß, unabhängig davon, ob es zivilrechtliche Vereinbarungen sowie Erklärungen der Kontrahenten gibt.
Die Akzeptanz bei 4,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzern spricht für die Tagesschau-App. Sollten Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages ein solches Angebot verbieten, dann müssen diese verändert werden. Presse ist Papier. Presseähnlichkeit ist keine sinnvolle Kategorie für das Internet und mobile Angebote. (§11 d Abs. 2 spricht von nichtsendungsbezogenen presseähnlichen Angeboten, die nicht zulässig sind.)