Monika Piel zum Jahresstart mit bisher für die ARD einmaliger Interview-Offensive

Monika Piel sich nicht geschont. Vielen gab sie ein Interview. Als neue ARD-Vorsitzende. So präsent war die ARD schon lange nicht mehr. Tagesspiegel, taz, Süddeutsche Zeitung, WELT, Handelsblatt, WAZ-Zeitungen, Hamburger Abendblatt, stern, Kölner Stadtanzeiger, Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau – wobei die letzten drei (DuMont-Zeitungen) eine Interview abdrucken. (Während der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit „Jauch funktioniert überall“ aufmachte, titelte man in Frankfurt und Berlin über dem selben von Anne Burgmer geführten Interview „Wir brauchen Günther Jauch nicht“, stellt dwdl.de fest.)

Und es lohnt sich, diese Interviews zu lesen. Zum einen kann man sich ein Bild über die einzelnen Medienjournalisten machen. Zum anderen sind die Nuancen, Auslassungen und Weiterungen in den Antworten auf vergleichbare Fragen spannend.

Natürlich musste sie sich des Vorwurfs erwehren, dass die ARD im ERSTEN bei den Dokus kürzen und diese in die Nacht verschieben würde. „Die Primetime ist nicht immer die beste Zeit für Dokumentationen, weil die Konkurrenz auf anderen Kanälen zu stark ist. … Fakt ist: Es wird nicht eine einzige Doku im Mengengerüst weniger geben. … Außerdem wird der Naturdoku-Platz am Montag, 20 Uhr 15, für aktuelle politische Stücke geöffnet. Wenn etwas genau dorthin gehört, wird es nie daran scheitern, dass es keinen Sendeplatz bekommt.“ So Monika Piel. Und der taz sagte sie: „Medienjournalisten sehen das Programm anders als glücklicherweise das Publikum. Und das sieht die vier Talks, die schon heute laufen, sehr gerne – Akzeptanz und Quote steigen.“

Man werde in der Sommerpause weitere Sendeplätze für Dokumentationen schaffen: „Wir werden, wenn wir die fünf Talkshows haben, die Menge der Talkshows reduzieren. Bisher hatten alle 40 Sendungen pro Jahr, dann werden es 36 sein.“ Dadurch könnte man also 16 zusätzliche Sendplätze gewinnen. (Bekommen die Produktionsfirmen der Moderatoren jährlich dieselbe Summe als Vergütung? Oder werden deren Vergütungen um 10% reduziert? Wird das Budgets der Dokumentationen dann dem der Talkshows entsprechen? Eine Minute Beckmann kosten laut 17. KEF-Bericht 2225 Euro. So könnte man eine Dokumentation von 75 Minuten mit 166.875 Euro vergüten.)

Wenn es kompliziert wurde, konnte sie die Konstruktion der ARD vorschieben. In diesem föderalen Gebilde würden die einzelnen Anstalten die Entscheidungen treffen. So hätte sie Kai Pflaume nur für das ERSTE verpflichtet, wenn er voll und ganz zur ARD gekommen wäre. Als ARD-Vorsitzende muss ich Ihnen aber sagen, dass wir ein föderaler Verbund sind, in dem jede Anstalt autonom ist. Es ist die Entscheidung des NDR, wen er die Shows moderieren lässt, für die er im Ersten verantwortlich ist und die er auch allein bezahlt. Ich kann meine Meinung als ARD-Vorsitzende dazu sagen, aber es wäre mir nicht möglich, den NDR daran zu hindern, Kai Pflaume als Moderator zu verpflichten“, ist im Hamburger Abendblatt zu lesen.

Allerdings habe sie vor Jahren noch gefordert, dass Günther Jauch ganz oder gar nicht zu ARD kommt. In seinem Fall habe sie ihre Meinung geändert. „Ich war damals felsenfest von dem überzeugt, was ich gesagt habe. Ich stelle aber heute fest, dass sich das in die gegenteilige Richtung entwickelt hat. Den Menschen ist es zunehmend gleichgültig, ob sie Günther Jauch bei RTL oder bei uns sehen. Er funktioniert in jedem System. Ich persönlich bin trotzdem dafür, auch in Zukunft die Aushängeschilder zu trennen. Bei Günther Jauch bin ich aber einverstanden gewesen, diese Ausnahme zu machen, weil er eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Fernsehen ist“, so die ARD-Vorsitzende gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Es gibt viele Produktionsfirmen, die für private wie auch öffentlich-rechtliche Sender produzieren. Wenn diese für beide Seiten des dualen Systems produzieren dürfen, warum sollen sie dann nicht auch entsprechend ihre Aushängeschilder auf beiden Seiten unterbringen?

Fakt ist, Günther Jauch erwirtschaftet bei RTL in der Unterhaltung hohe Umsätze – es liegt wohl beim Zehnfachen des Umsatzes mit der ARD. „Aber 90 Prozent seiner Einnahmen bezieht Jauch von RTL. In dieser Größenordnung zu zahlen, dazu sehe ich uns nicht in der Lage“, sagte sie stern.de. Um in ihrer Argumentation sicher zu bleiben, ist für Monika Piel die neue Trennlinie zwischen Information und Unterhaltung zu ziehen: „Es gibt Wanderer zwischen den Systemen. Die Aufweichung findet schon im Internet statt, das die Unterscheidungsmerkmale aufhebt. Die Marken sind jetzt einzelne Menschen, weniger die Sender. Das gilt für die Unterhaltung, wohlgemerkt. In der Information sehe ich das anders.“ Doch es ist schwer, diese Unterscheidung nachzuvollziehen. Warum darf der eine bei den privaten Sendern Unterhaltung machen und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Information, während der andere auf beiden Seiten Unterhaltung macht. Zumal ja Information auch unterhaltend dargeboten werden soll sowie der NDR mit Kau Pflaume weitere Formate plant.

Doch nicht nur in der Unterhaltung werden die Grenzen verwischt. Die Sender kooperieren mit den Verlagen. Der WDR will neben der Kooperation mit der WAZ-Gruppe auch mit dem Axel-Springer-Verlag „ins Geschäft kommen“. Da werden einige Dinge geprüft.

Zudem plant man, kostenpflichtige Apps anzubieten. Der WDR entwickelt derzeit eine Sportschau-App. Monika Piel ließ prüfen, ob man diese App auch kostenpflichtig machen könne. „Wir würden in diesem Fall die Inhalte an unsere privatwirtschaftliche Tochter WDR mediagroup verkaufen, die sie auf dem Markt anbieten könnte.“ Wie sie dem Hamburger Abendblatt aber sagte, gebe es über 100 Sport-Apps in Deutschland, die kostenlos sind. „Als gebührenfinanzierter Senderverbund können wir nicht eine kostenpflichtige App anbieten, während die Angebote kommerzieller Unternehmen kostenlos sind. Sollten die Verlage es aber schaffen, ihre Angebote kostenpflichtig zu machen, setze ich mich mit aller Kraft dafür ein, dass unsere Angebote auch etwas kosten werden.“ Doch welcher Logik folgt sie hier? Hieß es nicht bisher immer, dass die Inhalte der Apps nur ein Abbild der ARD-Angebote im Internet sind? Und diese könne man einfach auf die Apps verlängern, weil deren Inhalte schon aus Gebühren bezahlt wurden, es sich also nur um einen weiteren Verbreitungsweg handelt, mit dem man die Gebührenzahler erreichen will? Welche ARD-Apps bleiben dann noch kostenlos, wenn die Verleger alle ihre Apps kostenpflichtuig gemacht haben?

Markus Beckedahl verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Monika Piel das Internet anscheinend nicht verstanden hat. „Neue progressive Töne in Richtung mehr freie Inhalte unter offene Lizenzen, auch zum remixen und in offenen Formaten, hab ich übrigens noch in keinem ihrer Interviews rausgehört. Mit Internet hat sie es wohl nicht so.“

Im Tagesspiegel erklärte sie, dass die ARD für eine “Allianz der Qualitätsanbieter” im Wettbewerb gegen Google, Apple, Vodafone & Co bereit stehe, die Springer-Chef Döpfner plant. Um Zeitungen zu unterstützen, biete man Kooperationen an. „Matthias Döpfner, der Springer-Chef, denkt bei diesem Thema in die richtige Richtung. Er will eine Allianz der Qualitätsanbieter im Wettbewerb, unter anderem gegen Google, Apple und Vodafone. Die ARD steht dafür bereit.“ Und sie erklärt Google zur Bedrohung für die ARD wie auch alle weiteren „Qualitätsmedien“. Aber dankte Matthias Döpfner nicht erst vor einigen Monaten dem Apple-Chef für seine Apps und das iPad? Und wieso ist Google eine Bedrohung für die ARD? Ja, wie bedroht Google die ARD? Was würde das Kartellamt so einer solchen Allianz der ARD mit den Verlegern sagen, fragt Marcel Weiss?

Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen ihre Inhalte gar nicht verkaufen. Sie sollen sie zur Verfügung stellen. Vieles ist ja bereits bezahlt, wie Stefan Niggemeier darstellt. Wenn in Zukunft alle den Rundfunkbeitrag unabhängig von der Nutzung bezahlen müssen, dann ist es nur logisch, „dass die von allen bezahlten Inhalte dann auch allen zur Verfügung stehen.

Sie wiederholt im Handelsbatt die Verleger-These, vom „Geburtsfehler des Internets“, kostenlose Inhalte anzubieten. Doch sind nicht all die Privatsender in Radio und Fernsehen auf den ersten Block kostenlos? Was ist mit den kostenlosen Zeitschriften? Müsste Monika Piel sich mit ihrer Logik nicht an die Seite der Pay-TV-Anbieter stellen und gegen Free-TV kämpfen? Gibt es nicht auch Im Internet Angebote von Verlegern, die sich „rechnen“?

Nebenbei: Für Monika Piel ist die BILD ein Qualitätsmedium. Schließlich zitiert welt.de sie folgendermaßen: „Die Einführung der kostenpflichtigen „Bild“-App halte ich für einen richtigen Schritt. Es macht keinen Sinn, Qualitätsinhalte im Internet kostenlos anzubieten, während das Print-Geschäft sinkt.“

Sie verteidigt den Rundfunkbeitrag. „Es ist keine Steuer, ein Verfassungsrechtler hat das Modell erarbeitet. Es ist ein Beitrag. Aber Sie haben recht, es ist Infrastrukturmaßnahmen gleichgesetzt. Ich finde es aber angemessen, dass in einer Demokratie nicht nur Straßen mitbezahlt werden, ob man nun ein Auto hat oder nicht. Dass auch Information und deren Vermittlung ein Infrastrukturbeitrag ist, ist folgerichtig“, wird sie in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Doch ging es nicht 60 Jahre ohne diesen Infrastrukturbeitrag? Lag dies nicht vor allem daran, dass über Jahrzehnte eine Modell hatte, das dafür sorgte, dass die Einnahmen beständig wuchsen? Und muss das neue Modell nicht deshalb eingeführt werden, weil die Medienpolitiker einmal eine Gebührenerhöhungsdebatte vermeiden wollte. Und dies geht nur, wenn es zu keiner Erhöhung der Gebühr für den einzelnen kommt. „Wir haben mit den Ministerpräsidenten vereinbart: Durch die Umstellung darf es keine Gebührenerhöhung geben“, so Monika Piel. Dies sehen einige ihrer Intendangten-Kollegen anders. Die verweisen darauf, dass es immer noch ein klares, staatsvertraglich geregeltes Verfahren gibt: Anmeldung des Finanzbedarfs bei der KEF, Feststellung des Bedarfs durch die KEF, Beschlussfassung in den Landtagen. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei gleichbleibender Gebühr die Einnahmen steigen müssten: schließlich müssen bisher befreite Behinderte erstmals zahlen, auch die Radiohörerinnen und –hörer zahlen das Dreifache, bisherige Nichtzahler werden unabhängig von ihrer Nutzung belangt, es sei denn, sie sind taubstumm.

Den WAZ-Zeitungen sagte sie: „Keiner weiß, was wir wirklich einnehmen.“ Der taz sagte sie: „Wir hoffen, dass wir weiter ungefähr soviel an Beiträgen hereinbekommen wie 2009“. Und dem Tagesspiegel erklärte sie: „Wir wissen nicht, ob die Umstellung auf das neue Modell künftig mehr Geld in unsere Kassen bringt. Sollte es wirklich zu höheren Einnahmen kommen, müsste der Rundfunkbeitrag gesenkt werden. Darüber würde ich mich sehr freuen. Denn dadurch würde sich unsere Akzeptanz in der Gesellschaft erhöhen.“

Dass es in der ARD große finanzielle Spielräume gibt, wird in ihrer Antwort auf den Hinweis deutlich, dass bei acht Milliarden Euro, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland jährlich zur Verfügung stehen, 400 bis 500 Millionen doch verzichtbar wären. Darauf antwortet Monika Piel in der Süddeutschen Zeitung: „Wenn wir ein Konzern wären, wäre das durchsetzbar. Aber nicht so, wie wir aufgestellt sind. Die acht Milliarden teilen sich viele Sender. Da müsste man welche abschaffen.“ Welche denn? Könnte man das Geld anders einsetzen? Brauchen denn degeto und SportA immer weiter steigende Etats? Wie sieht es mit Kürzungen bei den GSEA aus, die mittlerweile einen Etat von über 1,3 Mrd. Euro, mithin einem Viertel des ARD-Etats ausmachen? Die GSEA-Ausgaben sollen trotz aller Kürzungsansagen jährlich weiter im Durchschnitt um 0,7% steigen – mithin als um 10 Mio. Euro. Gekürzt wurde nämlich nur die Wachstumsrate.

Monika Piel sieht „auch angesichts der 2011 anstehenden Landtagswahlen, noch eine riesige Kommunikationsaufgabe“ auf die ARD zukommen. Der Staatsvertrag mit dem neuen Beitragsmodell muss 2011 durch alle 16 Landtage. „Und bei den vielen Wahlen, die anstehen, dürfte der ein oder andere Politiker auf die Idee kommen, das Thema Gebühr populistisch zu nutzen“, sagte sie der taz. Doch dies gab es immer wieder. Doch in den letzten 20 Jahren hat keine Regierungsfraktion ihren eigenen Ministerpräsidenten düpiert, der den Staatsvertrag ja schon unterschrieben hatte. Allerdings gibt es derzeit eine einmalige machtpolitische Konstellation im WDR-Mutterland, in NRW. Die Minderheitsregierung. Und für die CDU die Chance, SPD gegen SPD in Stellung zu bringen. Die NRW-CDU, die bis Juni 2010 das neue Beitragsmodell erarbeitet und unterstützt hat, könnte wie beim Jugendmedienstaatsvertrag versucht sein, die die Situation zu nutzen, um einen Keil in die SPD zu treiben. Denn wenn der Staatsvertrag scheitert, dann trifft dies auch den Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Und es trifft auch den NRW-Medienstaatssekretär Jan Marc Eumann, der Vorsitzender der SPD-Medienkommission ist. Sicher hat die NRW-CDU auch gute medienpolitische Gründe zur Hand. Zum Beispiel hatte der von Monika Piel erwähnte Gutachter Paul Kirchhof gefordert, dass man nur dann alle zur Zahlung verpflichten kann, wenn ARD und ZDF auch werbe- und sponsoringfrei sind.

Doch schon die Sponsoringfreiheit geht Monika Piel in ihrer konkreten Ausgestaltung zu weit. Sie hätte den Einnahmeausfall durch Wegfall des Sponsorings nach 20 Uhr „gern durch etwas höhere Gebühren ersetzt gehabt.“ Und sie behauptet: „Wenn man hier nicht nachbessert, bekommen kleinere Sportverbände große Schwierigkeiten: Wenn ihre Wettkämpfe nicht mehr übertragen werden, laufen ihnen die Sponsoren weg. Es gibt dann wesentlich weniger Geld für die Nachwuchsförderung, und die deutsche Sportlandschaft droht zu verarmen.“ Doch ist dem wirklich so? Fehlt der ARD das Geld, diese Rechte zu erwerben, wenn das Sponsoring verboten ist? Im Jahre 2008 nahm die ARD über Sponsoring 46,5 Mio. Euro ein. Der Etat der ARD liegt bei über 5,3 Mrd. Euro. Für ein Fußballländerspiel werden ca. 5 Mio. Euro gezahlt. Es ist letztlich also immer nur eine Entscheidung, wofür das Geld ausgegeben wird.

Es gibt noch so einiges zu hinterfragen. Warum verweist sie in der WELT darauf, dass die ARD Sarrazin voraus war: „Lange vor Herrn Sarrazin haben wir mit guten Regisseuren die Problematik nicht gelungener Integration beschrieben. Auf die fiktionale wie journalistische Aufarbeitung solch wichtiger gesellschaftsrelevanter Stoffe sind wir stolz, und das machen wir auch weiterhin.“ Warum behauptet sie: „Die große Chance ist, die eigenen Qualitätsangebote zu stärken und sich somit von den anderen Sendern zu unterscheiden. Da wir das Privileg der Gebührenfinanzierung besitzen, gibt es keine kommerziellen oder politischen Interessen, die unsere Inhalte beeinflussen können. Im Internet weiß man dagegen nicht, wer warum welche Informationen streut.“ Nun, das Internet ist eine Plattform und kein Sender oder Anbieter. Sie wird doch wohl nicht ernsthaft meinen, die ARD im Internet verschleiere Ihre Absichten.

Warum bezeichnet sie als ARD-Vorsitzende unter den Polit-Sendungen „Hart, aber fair“ als ihren persönlichen Favoriten, „aber nicht weil wir es erfunden haben. Es sind einfach ein gutes Format und ein smarter Moderator.“ Und kommt vom WDR.

Sie teilt – insbesondere in der taz – gegen viele aus: gegen die kleinen Sender wie auch gegen NDR (Verpflichtung Kai Pflaume), MDR (externe Prüfung der KiKa-Affäre wäre gut), BR (Anteil am ERSTEN sollte wieder erhöht werden), SWR (Jugendkanal nicht machbar). Monika Piel wurde als ARD-Vorsitzende und nicht als WDR-Intendantin interviewt. Es ist wohl das schwierigste: für alle zu sprechen ohne die eigenen Interessen zu verleugnen. Im Kopf ist Monika Piel noch nicht im Kopf ARD-Vorsitzende.

War dies der Grund, warum zumindest ihre Ablehnung eines Jugendkanals nicht unwidersprochen blieb? War dies die Chance ihres Vorgängers im Amt, ihr inhaltlich zu widersprechen?

Für Monika Piel gibt es drei Gründe, warum es keinen ARD-Jugendkanal geben kann:

„Da würde Kollegen vom Privatfernsehen ja das Herz stehen bleiben, und medienpolitisch ist das wohl ebenfalls nicht durchsetzbar. Es wäre zudem programmlich außerordentlich schwierig, denn wir müssen auch hier immer öffentlich-rechtlich sein. Aber was bei den jungen Zuschauern zieht – siehe die Top-Ten der jungen Zielgruppe bei den Privatsendern – sind alles keine öffentlich-rechtlichen Formate. Wir haben das Beitragsprivileg – und müssen deshalb schon etwas Anderes anbieten.

Auf die Behauptung, mit öffentlich-rechtlichen Angeboten könne man kaum junge Menschen erreichen, entgegnete ihr Vorgänger im Amt des ARD-Vorsitzenden, dass, wenn man junge Menschen mit verlässlicher Information erreichen wolle, man ihnen auch attraktive Angebote machen müsse, wenn sie zu alt für den „Kinderkanal“ geworden seien. So der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) Peter Boudgoust: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Lücke schließen müssen, denn unser Grundversorgungsauftrag umfasst eben alle Milieus, alle Altersgruppen. Wir können nicht sagen: Der Mensch wird dann wieder mit 25 oder 30 bei uns in den Fokus geraten, sondern wir müssen auch für die prägende Lebensphase dazwischen spezifische Angebote haben.“ So lässt er sich schon am Montag aus einem Interview zitieren, dass als SWR-Radiointerview am Samstag erstmals laufen soll (Interview der Woche, SWR2: Samstag, 8. Januar 2011, 18.30 Uhr; SWR cont.ra: Montag, 10. Januar 2011, 10.05 Uhr SWR cont.ra).

Dem stern sagte Monika Piel (als Entgegnung zu Peter Boudgousts Position, allerdings nicht in Bezug auf dieses aktuelle Interview): „Das ist seine Meinung, ich sehe das etwas anders. Wir brauchen Programm für jüngeres Publikum – realistischerweise ab 30. Die Jugend ist so heterogen, sie interessiert sich für Angebote, die mit dem öffentlich-rechtlichen Profil kaum zusammenzubringen sind. Wir haben gar nicht so viele jüngere Stoffe in anderen Programmen – es müsste für einen solchen „Jugendkanal“ fast alles neu produziert werden. Bisher haben wir es noch nicht ganz geschafft, unseren Kanal Einsfestival deutlich zu verjüngen. Ich leite in der ARD die AG „Junges Publikum, wir werden demnächst weitere Sitzungen zu diesem Thema haben.“

Solch ein Durcheinander gab es in der ARD lange nicht mehr. Und schon gar nicht in einer Person. Da ist keine klare öffentlich-rechtliche Linie zu erkennen. Wenn man all diese Interviews zusammennimmt, dann hat Monika Piel sich mit der Mehrheit der ARD angelegt. In vollem Bewusstsein? Dazu geht zu viel durcheinander. Die ARD spricht weniger denn je mit einer Stimme. Diese Interview-Offensive wurde zum Offenbarungseid – der stärksten ARD-Anstalt.

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