Neuer MDR-Tatort: Chance nicht genutzt

In mitten des Sommerlochs lässt der MDR die Katze aus dem Sack: der „Thüringer Tatort“ wird von FFP new media Köln / München produziert. Als echte und positive Überraschung kann die Besetzung gewertet werden. Mit Alina Levshin („Kriegerin“), Friedrich Mücke („Friendship!“) und Benjamin Kramme („Was am Ende zählt“) wird ein Team auf Verbrecherjagd gehen, welches tatsächlich als innovativ angesehen werden kann und dem Anspruch auf Verjüngung gerecht wird.

Doch der MDR wäre nicht er selbst, wenn hinter dieser Innovation nicht die gleichen Denkmuster zu Tage treten, welche den Sender bereits die letzten Jahre prägten. Denn so innovativ das Ermittlerteam sein mag, bei den verantwortlichen Produzenten ging man auf Nummer sicher und unterzeichnete den Vertrag mit FFP new media Köln / München (u.a. 77 Folgen „Rosamunde Pilcher“ für das ZDF). Es ist eine ziemliche Überraschung, dass mit Tom Bohn ein ausgewiesener Fachmann für Independentproduktionen gemeinsam mit einer der seichtesten Produktionsfirmen der Republik gemeinsame Sache macht. Wo sich an dieser Stelle die in den Vergabebedingungen geforderte „regionale Kompetenz“ versteckt, wird noch festzustellen sein.

Und damit zeigt sich erneut, dass Anspruch und Wirklichkeit bei der fünftgrößten ARD-Sendeanstalt auseinander klaffen. Denn die „Zukunft des MDR“, welche die neue Intendantin bei Ihrem Auftritt vor dem Rundfunkrat  im Oktober vorstellte, sah auch vor, dass der MDR „Als mediale Stimme des Ostens, die wirtschaftlich und politisch unabhängig ist, … auch Vermittlungsfaktor für Lebensleistungen, Veränderungswille und Gestaltungskraft der Bürger in den neuen Bundesländern sein [muss].“ Die Vergabe des Tatortes konterkariert dieses Ansinnen nun. Man fragt sich ernsthaft, ob unter den eingereichten 105 Konzepten von 86 Produktionsfirmen kein konkurrenzfähiges Konzept aus hiesigen Gefilden vorlag. Leider muss man feststellen, dass 20 Jahre Vergabepraxis des MDR dazu führen, dass offenbar keiner regionalen Produktionsfirma ausserhalb des DREFA-Verbundes zugetraut wird, eine solche Herausforderung erfolgreich zu bestehen.

Erneut und wie schon seit Jahren wird das ‚ostdeutsche Bild‘ von den alteingesessenen und etablierten Produktionsfirmen aus den klassischen Medienstandorten München, Köln oder Hamburg gezeichnet. Wie oben genannter Anspruch mit der jetzigen Vergabe erreicht werden soll, entzieht sich jeder Logik. Der MDR steht unverändert in der Pflicht, mit den im Sendegebiet erhobenen Gebühren eine größere Wertschöpfung zu gewährleisten.

Eine weitere Chance bietet sich nun mit der Neuvergabe des „Polizeiruf 110“, welcher in Magdeburg spielen wird. Doch ob sich bis zur Entscheidung wesentliche Änderungen in den Köpfen der verantwortlichen Redakteure ergeben werden, ist nach der Tatort-Entscheidung leider zu bezweifeln.

Crosspost von Filmverband Sachsen

 

 

 

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