„Letzte Woche hatte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm jede Menge Gelegenheiten sein Lieblingsprojekt vorzustellen: ein europäisches Portal, das Netflix, YouTube, Google sowie Facebook Konkurrenz machen und Kulturinstitutionen, öffentlich-rechtliche und private Medien einbeziehen soll“,
berichtete Kai-Hinrich Renner im Hamburger Abendblatt.
„Am Montag brachte das „Handelsblatt“ dazu ein Interview mit ihm. Am Dienstag sprach er darüber in Berlin vor Zeitungsverlegern. Und am Mittwoch stellte er das Vorhaben auf den österreichischen Medientagen in Wien vor.“
Ulrich Wilhelm nutzte also jede Gelegenheit, sein Thema anzusprechen.
„Doch kann ein solches Projekt jemals realisiert werden? Das ist eher unwahrscheinlich“,
so Kai-Hinrich Renner. Wie soll eine europäische Variante entstehen, wenn sich weder ARD und ZDF, noch die deutschen privaten Medienkonzerne oder gar alle zusammen auf gemeinsame Standards einigen können.
Ulrich Wilhelm verwies beim BDZV u.a. auf eine funktionierende Variante. Ulrich Wilhelm erneuerte in Berlin sein Angebot, mit privaten Verlagen an einer gemeinsamen Plattform zu arbeiten. Da gibt es ihm um eine Plattform, „die nach unseren Werten ausgerichtet ist“ und „unterschiedlichste Geschäftsmodelle zulassen“ solle, wie den Zugang zu den Nutzerdaten und gemeinsame Log-in-Systeme. Zu dieser Plattform könnten öffentlich-rechtliche Sender Videos beisteuern und Verlage mit diesen Videos die eigene Berichterstattung ergänzen und so auch zusätzliche Einnahmen erzielen. „Dass so etwas funktionieren kann, zeigt uns das Beispiel in Österreich, wo unter der Vermittlung der Nachrichtenagentur APA der ORF und die wichtigen Verlagshäuser in eine neue Beziehung getreten sind“, so Ulrich Wilhelm laut horizont.net. In Deutschland könne die dpa die Rolle der APA übernehmen.
Hier ist es so, dass der ORF stundenweise Material einstellt. Es gibt ein Revenue-Sharing-Modell: Werbeeinnahmen von Spots vor den Inhalten werden zwischen dem Nutzer der Videos und der Plattform geteilt.
Im Januar 2017 ging die Austria Videoplattform (AVP) in Betrieb. Die AVP fungiert als neutrale Austauschplattform und ist offen für alle österreichischen Medienunternehmen, deren Kerngeschäft die Erstellung journalistischer Inhalte ist. Sie richtet sich also an Medienunternehmen, nicht an die Bevölkerung.
„Mit der AVP bieten wir den Medien dieses Landes einen Service, von dem die Teilnehmer inhaltlich wie finanziell profitieren können. Und die User bekommen eine noch umfangreichere und interessantere Berichterstattung frei Haus geliefert“,
heißt es in einer Presseerklärung.
Nach dem ersten Jahr ihres Bestehens zieht selbst sie positive Bilanz.
„Über die Drehscheibe für den Austausch von redaktionellem Videocontent österreichischer Medienhäuser wurden 2017 insgesamt 31.609 Beiträge zur Verfügung gestellt, darunter 28.831 allein vom ORF. Die Abrufzahlen des AVP-Contents über die Online-Portalpartner kletterten von rund 154.000 im Startmonat Jänner auf Spitzen von mehr als 1,2 Millionen.“
Damit wird klar: der Erfolg der AVP scheint vor allem auf dem ORF zu beruhen. Letztlich gibt es drei Probleme bei einem solchen Modell:
- Solange private Anbieter nur wenige Inhalte zur Verfügung stellen, ist es vor allem eine kostengünstige Versorgung privater Medienanbieter mit öffentlich-rechtlichen Videoinhalten.
- Alle freien oder nicht-kommerziellen Medien bleiben bei einem solchen Modell außen vor, weil sie keine Genossenschafter der APA sind.
- Die Austria Video Plattform ist keine Endnutzer-Plattform, weder was Abrufbarkeit von Inhalten noch bzw. noch was Upload-Optionen betrifft. Auch hier sind die freien und nicht-kommerziellen Medien außen vor.
- Bisher handelt es sich nur um eine nationale Mediathek für Medienunternehmen – insbesondere die Verlage. Private Radio- und Fernsehanbieter sind nicht dabei.
- Eine gemeinsame nationale Mediathek scheint derzeit auch in Österreich nicht möglich zu sein.
- Doch es ist ein erster Schritt zu einer „Systemvermischung“ von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien.