Tagesschau-App heute vor Gericht

 

Den Zeitungsverlegern ging es mit ihrer Klage gegen die „Tagesschau“-App, die sie vor 13 Monaten symbolisch zum NRW-Medienforum ankündigten, darum, Druck auf die Medienpolitik zu machen und eine Reform der Mediengesetze in Deutschland anzuschieben. „Es geht um die künftige Architektur des Mediensystems, in dem die Zeitungsverlage sich als wirtschaftlich und publizistisch erfolgreiche Unternehmen weiterentwickeln können“, zitierte spiegel.de den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, von der BDZV-Jahrespressekonferenz.

 

Das Landgericht Köln stellte nach einer ersten Verhandlung  in einem Hinweisbeschluss am 9. November 2011 fest, dass die Klage zum Teil unzulässig, zum Teil nicht nachvollziehbar ist. „Die Kammer neigt derzeit zu der Auffassung, dass die Inhalte von Tagesschau.de und Tagesschau-App „gleich“ sind, es sich also bei der Applikation nicht um ein „neues“ oder „anderes“ Angebot handelt.“ Die Wettbewerbskammer am Landgericht Köln rief laut welt.de beide Seiten erneut zu einer gütlichen Einigung auf.

„Ein Gericht kann keine generellen Aussagen zur Medienpolitik machen. Das geht uns nichts an“, stellte Richter Kehl klar. „Wir werden die „Tagesschau“-App nicht verbieten oder nicht nicht verbieten.“ Richter Kehl hatte schon bei der ersten Verhandlung im vergangenen Jahr gesagt, das Gericht dürfe keine allgemeingültigen Regeln aufstellen, sondern immer nur im Einzelfall entscheiden. Deshalb wäre es das Beste, wenn sich beide Seiten noch mal zusammensetzten. Ein Kompromiss könne vielleicht so aussehen, dass Inhalte, die sich nicht direkt auf die Sendung bezögen, in der „Tagesschau“-App abgespeckt und die sendungsbezogenen Inhalte dafür vertieft würden.

Ende Januar war dann ein Entwurf für eine „Gemeinsame Erklärung von BDZV, ARD, ZDF“ zum Thema Online-Aktivitäten bekannt geworden. Darin war unter anderem formuliert, dass die Onlineauftritte und Apps von ARD und ZDF „vorrangig“ aus Video- und Audiobeiträgen bestehen und die Texte dazu „in der Regel in inhaltlichem Zusammenhang“ damit stehen sollen. Eigenständige redaktionelle Berichterstattung nur in Textform soll die Ausnahme sein – wie bei den Verlegerangeboten eigenständige nur video- und audiogeprägte Berichterstattung die Ausnahme sein sollen.

Ende Februar wurde ein Verhandlungsergebnis erzielt. Dieses wird laut BDZV derzeit jedoch nicht von der Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser mitgetragen. „Es ist bedauerlich, dass die Selbstverständlichkeit einer Überprüfung des Textumfangs in gebührenfinanzierten Angeboten nicht allen Sendeanstalten vermittelbar ist“, meinte BDZV-Chef Heinen.

Kern der gemeinsamen Vereinbarung sollte laut Berliner Zeitung eine Verzichtserklärung sein, dass sich ARD und ZDF online mit Textbeiträgen und die Zeitungsverleger mit Audios und Videoangeboten zurückhalten. Unterschrieben ist die „gemeinsame Erklärung“ bis heute nicht. Zwischenzeitlich zählt die „Tagesschau“-App 4,2 Millionen Nutzer, und der Springer-Konzern hat die Internet-Rechte an der Fußball-Bundesliga erworben, um von der nächsten Saison an kostenpflichtig Videos anzubieten.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat die Hinweise des Kölner Landgerichts zu den umstrittenen Umfängen der Textangebote in öffentlich-rechtlichen Telemedien begrüßt. Bei der heute verhandelten Klage von acht Zeitungsverlagen gegen ARD und NDR über die Tagesschau-App habe der Vorsitzende Richter Daniel Kehl deutlich gemacht, dass presseähnliche Angebote durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn sie nicht ausdrücklich sendungsbezogen sind, klar untersagt seien. Umfangreiche Textangebote online und mobil könnten auch nicht dadurch „legalisiert“ werden, dass daneben Audio- und Videoangebote platziert würden.“

Sollten die Verleger vor dem Landgericht mit ihrer Klage scheitern, gibt es bereits einen Plan B. „Wenn wir juristisch scheitern sollten, dann stehen wir wieder bei der Politik vor der Tür und sagen: Das was ihr mit dem Staatsvertrag regeln wolltet, hat offenbar nicht geklappt“, so Heinen.

Monika Piel, die Vorsitzende der ARD und WDR-Intendantin, äußerte sich nach dem heutigen Gerichtstermin: „ Die heutigen Äußerungen des Richters zeigen, dass sich die Diskussion um die „Tagesschau-App“ juristisch nur schwer klären lässt. Es geht vor allem um eine medienpolitische Lösung. Deshalb sollten wir unverzüglich wieder zurück an den Verhandlungstisch kommen. Auch wenn Herr Wolff, der Hauptgeschäftsführer des BDZV, nach dem heutigen Gerichtstermin neue Verhandlungen nochmals abgelehnt hat, werde ich als ARD-Vorsitzende erneut und umgehend das Gespräch mit den Verlegern suchen. Wir sind weiterhin stark an einer Vereinbarung interessiert. Für uns steht im Vordergrund, dass wir eine medienpolitische Klärung wollen, einen Interessenausgleich, damit beide Seiten im Internet ihren Platz finden und ihr spezifisches Publikum erreichen.“

Doch wieso muss man mit den Verlegern verhandeln? Welchen Grund gibt es? Wenn die Tagesschau-App ein Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag wäre, müssten die Länder als Rechtsaufsicht einschreiten. Dies gilt auch für den Fall, dass diese nicht durch einen Drei-Stufen-Test gedeckt ist bzw. dieser erforderlich, aber nicht durchgeführt wäre.

Und – ist es nicht Aufgabe der Länder, des Gesetzgebers, eine medienpolitische Lösung zu suchen und umzusetzen – wenn es denn dieser Bedarf. Sicher, auch die Sender und Verleger machen Medienpolitik. Sie versuchen, die Gesetzgebung in ihrem Interesse zu beeinflussen. Doch vor allem ARD und ZDF haben ihren gesetzlichen Auftrag auch umzusetzen. Die von Monika Piel am Verhandlungstisch angestrebte medienpolitische Lösung kann nicht zum Inhalt haben, dass sich die ARD freiwillig beschneidet.

Halten wir fest: mit der vorliegenden Klage werden die Verleger kaum Erfolg vor Gericht haben. Dies hat das Gericht dargestellt.  Trotzdem verhandelt die ARD nicht nur mit den klagenden Verlagern, sondern gleich mit dem BDZV. Zudem hat man ZDF einbezogen. Man will sich darüber einigen, was wer im Internet machen darf.

ARD und ZDF haben nicht mit den Verlegern darüber zu verhandeln, inwieweit sie sich im Internet begrenzen. Ihre Aufgabe ist es, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung zu liefern.

Eine Einigung von ARD und Verlegern wegen der „Tagesschau“-App ist bis 30. August möglich. Das zuständige Gericht will ein Urteil nach Möglichkeit vermeiden. Dieses würde dann zum 27. September ergehen. Der Streit über die jeweils zulässigen Angebote wird also andauern. Am Ende wird womöglich die Politik entscheiden. Ob das bei ARD, ZDF und den Verlegern zu größerer Zufriedenheit führen wird, ist zweifelhaft, stellt Ulrike Simon in der Berliner Zeitung fest.

 

 

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