Wem nutzt es, wenn man ARD und ZDF auf Youtube und Facebook folgen kann?

Das Konzept erscheint schlüssig. Man geht dort hin, wo die Nutzerinnen und Nutzer sind. Man spielt seine Inhalte auf den Plattformen aus, die von den gewünschten Zielgruppen vor allem genutzt werden. So machen es ARD und ZDF insbesondere mit ihrem Jugendangebot FUNK, aber auch mit anderen Inhalten. (Doch welcher Fußballverein würde sein heimisches Stadion verlassen, nur, um mehr Zuschauer zu erreichen, jedoch ohne vom Eintrittsgeld etwas abzubekommen?)

Doch macht man damit diese Anbieter, vor allem Youtube und Facebook nicht noch stärker? Zementiert man damit nicht deren Marktstellung? Handelt es sich bei Ihnen einfach nur um „Drittplattformen“, oder sind es Netzwerke, die zum Ziel haben, dass die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange bei ihnen verweilen?

Es erschreckt, wie weit die öffentlich-rechtlichen Sender selbst Diskussionen auf private, kommerziell und profitorientierte Plattformen auslagern. Schließlich muss man ja, um bei Facebook mitdiskutieren zu können, sich erst einmal registrieren lassen. Zudem muss man, um seine „Fans“ auf Facebook immer wieder zu erreichen, um diese mit anderen Anbietern kämpfen und konkurrieren, faktisch also bezahlen.

Rechtlich ist zu klären, ob die geldwerten Facebook-Einblendungen in den Sendungen nicht gegen die geltenden Sponsoring-Regeln verstoßen, auch wenn ARD und ZDF dafür keinen materiellen Gegenwert erhalten. Schließlich nutzen sie kostenlos die Infrastruktur.

Fraglich ist bis heute, wie viele Nutzerinnen und Nutzer die Sender von den Drittplattformen auf ihre eigenen Plattformen ziehen – und wie viele sie verlieren. Zu klären ist, mit welchen finanziellen Mitteln und mit welchem Personal die Sender ihre Inhalte im Werbe- und Markenrahmen der „Drittplattformen“ präsentieren. Ausgeschlossen sollte sein, dass finanzielle Mittel für den Kauf von Reichweite eingesetzt werden. Zu hinterfragen ist, warum nicht auch für Nicht-Mitglieder offene Netzwerke genutzt werden, so dass alle mitlesen können. Geklärt werden muss, warum man nicht dafür sorgt, dass die auf Facebook abgegebenen Kommentare auch auf eigene Plattformen gespiegelt werden, so dass auch diejenigen mitdiskutieren können, die sich nicht bei Facebook anmelden wollen. Unverständlich ist, warum der eigene Videoplayer nicht den zeitgenauen Sprung von Facebook aus auf das eigene Angebot ermöglicht. Warum werden nicht auch Konkurrenzformate (Vimeo statt Youtube) genutzt? Will man Youtube zum „visuellen Weltgedächtnis“ werden lassen?

Die „neuen sozialen Medien“ sind nicht nur harmlose, als „Drittplattformen“ bezeichnete Infrastrukturanbieter. Sie sind zum Teil auch Medienanbieter. Sie bieten audiovisuelle Inhalte, die zum Teil aktuell sind, eine Breitenwirkung haben und Suggestivkraft entfalten. Gerade deshalb müssten doch ARD und ZDF eine Alternative aufbauen, eine eigene Plattform, die zudem höheren Datenschutzstandards gerecht wird.

Und: sie könnten veröffentlichen, wie teuer tagesaktuell gekaufte Reichweite bei Facebook ist. Sie könnten darstellen, welche Vor- und Nachteile bestimmte Features haben. Sie könnten darüber aufklären, wie „Fans“ und „Likes“ von den Netzwerken monetarisiert werden. Damit würden sie ein Bewusstsein für die Doppelrolle der „sozialen Medien“ (als Medien und Infrastrukturanbieter) schaffen – und so auch die Medienkompetenz stärken.

(Zusammenfassung eines Artikels von Christian Bartels. Mehr dazu: Christian Bartels: „Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter!“. Die Öffentlich-Rechtlichen und die sogenannten sozialen Medien“. In: Dieter Anschlag/Claudia Cippitelli/Lutz Hachmeister/Johannes Hensen/Petra Müller/ (Hrsg.): Jahrbuch Fernsehen 2017. Köln 2017. medienkorrespondenz.de.)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)