Laila Stieler und ich fingen an, über Gundermann zu reden, auf langen Spaziergängen. Und dann wurde die Sache für uns akut. DAS LEBEN DER ANDEREN kam in die Kinos. Wir merkten, wir überlassen die Deutungshoheit über das, was wir erlebt haben, denjenigen, die es nicht erlebt haben. […]
Der Film hat bleibende Bilder produziert. Er ist längst Teil der Geschichtsschreibung geworden.
Genau: Die Leute sagen, so ist es gewesen. Und das kann ich nun wirklich nicht bestätigen. Wir, Laila und ich, haben uns dann gesagt, aber was ärgern wir uns hier still und heimlich? Das ist nicht schlau. Das führt zu nichts. So lange wir uns selbst weigern, unsere Geschichten zu erzählen, dürfen wir uns nicht beschweren, wenn andere es tun. Versuchen wir es
Der Donnersmarck-Film hat sie zornig gemacht?
Nicht nur mich. Der lag doch vielen im Osten quer im Hals. Ich habe mit dem Florian auch eine längere Diskussion darüber geführt, ich dachte, wenn ich ihn treffe, ist es ihm nur ehrlich, ihm als kOllege meine, unsere Meinung zu sagen. Ich greife seinen Film ja nicht wegen des Handwerks an, da ist er über jede Kritik erhaben. Er hat nur eben mit der Realität wenig zu tun. Er erzählt die DDR als Hollywood-Märchen. Er entlastet seine Figuren, außer den bösen Minister natürlich, und am Ende können alle sagen, wir haben ja nur auf Anweisung gehandelt. Meine Erfahrung mit diesem System ist aber eine völlig andere. […] Es hat nicht wenige Leute gegeben, die an das, wofür die DDR mal angetreten war, geglaubt, die aus ehrlichen Motiven heraus dafür gearbeitet haben, auch dann noch, als vieles schon pervertiert war. Sie sind dann darüber gestrauchelt. Sie sind schuldig geworden. Ich erwarte einfach, dass ein Film, der keine Komödie ist, mit solchen Verstrickungen ehrlich umgeht.
(Andreas Dresen: Meine Reue kriegt ihr nicht. In: Andreas Leusink (Hg.): Gundermann. Aufbau Verlag 2022. S. 162)