Das Fernsehen der Zukunft ergibt sich meiner Ansicht nach weniger aus technischen Neuerungen und erst recht nicht aus mehr Quote – denn Quote bedeutet als Faustregel nur, dass man bald mehr vom Gleichen haben wird. Was Quote bringt, produziert vor allem Sendungsklone. Das Fernsehen der Zukunft wird – und dies ist mein festes Bekenntnis zum dualen System und damit zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen – in Wahrheit in erster Linie hervorgehen aus einer gründlichen Reflexion über das, was noch möglich ist.
Fernsehen ist in meinen Augen nach wie vor ein Bildungsmedium – jedenfalls dann, wenn Bildung auch bedeutet, etwas wissen zu wollen, sich kritisch mit seiner Zeit zu befassen und Anregungen zu bekommen, wie man am Möglichen arbeiten kann. Bildung darf man sich nicht primär als eine Mediensuppe vorstellen, in die man Bildungsinhalte wie Buchstabennudeln schüttet. Bildung ähnelt eher einer Brille, die unser eigenes Sehen, unser Urteilen bewusst machen und verändern kann. Kritik ist nicht nur Herausarbeiten dessen, was besser nicht wäre, sondern zugleich immer auch Leidenschaft für das Mögliche. Insofern muss das Fernsehen der Zukunft, wenn es Bestand haben will, die Urteilskraft der Zuschauer bilden und stärken statt sie zu beleidigen. Es wird zum Denken anregen müssen und deshalb aufregend sein. Das bedeutet, zuweilen nicht auf die Quoten zu schielen und bewusst zu überfordern. Das Fernsehen der Zukunft wird Unterhaltung nicht mehr nur als Brot und Spiele verstehen, sondern als intelligentes Gespräch über relevante Themen. Mehr noch: Fernsehen wird neben aller Nutzung als Medium der Unterhaltung vor allem ein journalistisches Medium bleiben. Im Sinne Luhmanns aktiviert das Fernsehen im Vergleich zum Internet das andere und Fehlende unter anderem, insofern das Internet keinerlei Filter für die Qualität von journalistisch valider Information garantiert – das Fernsehen aber wenigstens in der Regel.
Gert Scobel, Jahrbuch Fernsehen 2012