Der zweite Faktor, der die neuere Entwicklung kennzeichnet, ist eine ideologische Verengung, ja teilweise Indienstnahme medienjournalistischer Berichterstattung. Zahllose Polemiken in Tageszeitungen widmen sich seit etwa fünf Jahren dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk und dessen mutmaßlich grenzenloser Expansion im Internet. Qualitätsblätter wie „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Süddeutsche Zeitung“ – beide mit eigenen Medienseiten – bedienten und bedienen diese politische Tendenz, die auch auf Zustimmung bei großen Teilen des Publikums stößt.
Bei aller Berechtigung von Kritik an AR und ZDF im Einzelnen und bei aller Wertschätzung für die prägenden Redakteure und Autoren auf den Medienseiten der genannten Tageszeitungen – hier war Medienjournalismus häufig eben nicht mehr neutral, sondern nahm Partei in einem politökonomischen Wettbewerb um Nutzer und werbenachfrage auf der Medienplattform Internet. Den Presseverlegern geht es nicht gut auf diesem digitalen Markt, ihre Alles-Gratis-Fehlentscheidung aus der Frühzeit des Netzes rächt sich bitter, tragbare Geschäftsmodelle haben sich bislang nicht etablieren können. Aber bedeutet das, dass Wettbewerber, hier öffentlich-rechtliche, publizistisch ausgestochen werden dürfen? Meine These: Allzu viele Medienjournalisten haben in jüngerer Zeit ihr eigenes, nachvollziehbares Interesse an Arbeitsplatzerhalt und das Mitgefühl für die Eigentümer der privaten Medienorganisationen über die unabhängige Sachverhaltsvermittlung gestellt.“
Volker Lilienthal – enthalten in: Communicatio Socialis (3/4-2013)
Zitiert in: Funkkorrespondenz 4/2014