Bernhard Stegemann, der Chefdramaturg der Schaubühne, stellt in einer Verteidigungsschrift des Stadttheaters (Berliner Zeitung, 7. Juli 2011) fest, dass das Theater dreifach unter Druck steht:
„Es steht unter einem ökonomischen Sparzwang, es beschäftigt Regisseure, die künstlerisch arbeiten, und sein Publikum verändert sich aufgrund gesellschaftlicher und medialer Umwälzungen. Die Antwort der letzten zehn Jahre hierauf war die Erhöhung der Produktionszahlen. Die Statistik des Deutschen Bühnenvereins verzeichnet eine Steigerung der Neuinszenierungen auf deutschen Bühnen von 3387 in der Spielzeit 1991/92 auf 5106 in der Spielzeit 2007/8. Die Intendanten denken, hiermit alle drei Probleme zugleich lösen zu können: Sie zeigen den Geldgebern, wie effektiv sie mit den Ressourcen zu wirtschaften verstehen, sie disziplinieren die Regisseure in ihrem ausufernden Drang der Kunstproduktion, und sie bieten dem Publikum immer wieder Neues und können so bei sinkender Akzeptanz für die einzelne Aufführung die Gesamtzahl der Zuschauer gleich halten.“
So, wie die Theater die Gesamtzahl der Zuschauer gleichalten wollen, so setzen ARD und ZDF auf den Marktanteil. Das zielen auf ein gleichbleibendes Massenpublikum hat Folgen:
„Der Regisseur wird zum Verantwortlichen, die knappen Ressourcen so geschickt einzusetzen, dass eine ansehnliche Aufführung entsteht. Die ästhetischen Folgen dieser neuen, beschleunigten Produktionsbedingungen sind überall zu beobachten: Der erste Einfall zählt, das direkte, meist moderierende Spiel mit dem Zuschauer verdrängt das realistische Schauspiel. Die Erarbeitung von Figuren wird übersprungen, da in der Kürze der Zeit nur Klischees möglich wären. Die Bühnenräume werden zu Einheitsbühnenbildern, alles andere wäre zu teuer und auch zu kompliziert. Theaterabende dauern nur noch selten länger als zwei Stunden.“
Einen Trend zur preiswerten Formatierung gibt es auch im Fernsehen.
„Die Zerschlagung von Traditionen und Institutionen dient zuerst und immer dem Beschleunigungswillen des Kapitals und der Entsolidarisierung der um dieses Kapital kämpfenden Individuen. Die Kunst des Theaters muss in ihren abendlichen Aufführungen diese gesellschaftlichen Übel immer wieder neu sichtbar machen, und die Gesellschaft muss in ihren Stadttheatern die Fortdauer einer ständigen künstlerischen Provokation sicherstellen.“