Die jetzt öffentlich gewordene Idee ist nicht ganz neu, wurde nach DWDL-Informationen von Strobl schon im vergangenen Jahr in der Runde der Intendantinnen und Intendanten der ARD eingebracht. Die Begeisterung blieb damals schon aus, auch weil die Änderung im Ersten in mehrerlei Hinsicht Auswirkungen auf die Landesrundfunkanstalten der ARD hätte. Weniger auf den SR, Radio Bremen und MDR, weil die ersten beiden kein eigenes Drittes Fernsehprogramm betreiben und der MDR die 20 Uhr-„Tagesschau“ nicht übernimmt.
Vom WDR aus Köln kam nach DWDL-Informationen hingegen Protest. Im Zweifel werde man dann um 20:15 Uhr die Programmübernahme des Ersten beenden und mitten aus der Sendung aussteigen. Wobei eine verlängerte „Tagesschau“ nicht nur die ARD-Anstalten sondern die gesamte deutsche Fernsehbranche und darüber hinaus auch alle Sender in Österreich und der Schweiz vor die Frage stellt, ob man dem Taktgeber „Tagesschau“ folgt und die Primetime auf 20:30 Uhr schiebt.
Schließlich ist die kompakte Hauptnachrichtensendung der ARD seit Jahrzehnten dafür verantwortlich, dass sich im deutschsprachigen Raum die Uhrzeit 20:15 Uhr als Primetime-Beginn über alle Sender hinweg durchgesetzt hat – und wie aussichtslos es ist, gegen die „Tagesschau“ zu starten, hat Sat.1 in den 90er Jahren in einem Praxistest selbst erfahren als das Projekt „Volle Stunde, volles Programm“ kläglich scheiterte. […]
Das radikalste Szenario von Strobls Idee wäre eine grundsätzliche Verlängerung der „Tagesschau“ um 20 Uhr an allen Tagen auf dreißig Minuten. Also die ultimative Machtdemonstration der ARD, die alle Marktteilnehmer – egal ob privat oder öffentlich-rechtlich – zu einer unmittelbaren Reaktion zwingen würde. Und das in Deutschland, aber auch Österreich und der Schweiz. Ein kaum vorstellbarer Vorgang angesichts der enormen Tragweite der Entscheidung. Allerdings ist der Zeitpunkt gerade auch kein Zufall: Strobls Vertrag für die Programmdirektion des Ersten läuft in einigen Monaten aus.
Thomas Lückerath, dwdl.de, 14.05.2025 (online)