Um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu verbessern, verabschiedete die Bundesregierung 2020 das Bundesteilhabegesetz, das die finanzielle Unterstützung für die Pflege neu regelt. Unter anderem dürfen Betroffene nun mehr Geld dazuverdienen, ohne dass es ihnen vom Amt wieder abgezogen wird. Da Martina Baab aber ohnehin nicht arbeitet, dachte sie nicht, dass sich durch das Gesetz für sie viel verändern würde […]
Wie in den Jahren zuvor stellte sie einen Antrag, um vom Rundfunkbeitrag befreit zu werden. Eine Befreiung ist für Menschen mit Behinderung möglich, die nicht viel Geld haben. Doch plötzlich wurde Baabs Antrag, der vorher immer nur eine Formsache war, abgelehnt. Das Problem: Die Hilfe zur Pflege war durch die Reform plötzlich in einem anderen Gesetzbuch gelandet. Der Staatsvertrag, in dem die Bundesländer die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks regeln, wurde nach Einführung des neuen Teilhabegesetzes aber nicht angepasst. Als Grund für die Befreiung vom Rundfunkbeitrag gilt weiterhin nur, dass Menschen „Hilfe zur Pflege“ nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch erhalten. Nach dem neuen Gesetz steht die Hilfe aber im Neunten Sozialgesetzbuch. Ein kleines bürokratisches Detail mit erheblichen Auswirkungen. […]
Im Gesetz selbst deutet nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber wollte, dass Menschen wie Martina Baab plötzlich weniger Geld haben. Die Vermutung liegt nahe, dass einfach übersehen wurde, welche Auswirkungen die Gesetzesänderung auf den Rundfunkbeitrag haben würde.
Doch mit einer Anpassung ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Das Teilhabegesetz wurde auf Bundesebene verabschiedet, der Rundfunkbeitrag ist aber Ländersache.
Jana Ballweber, fr.de, 29.5.2022 (online)