Das „Lesenswert Quartett“ war eine Gesprächssendung, in der wiederkehrende Gäste auf Stühlen saßen und sich über aktuelle Literatur austauschten. Im Gegensatz zu seinem großen Pendant im ZDF, dem Literarischen Quartett, wo der Schwerpunkt auf dem Gespräch und weniger dem Buch lag, wo ein „Salon“ heraufbeschworen werden soll, in dem es eher auf den Schauwert der Gäste ankommt, als im engeren Sinne auf ihre jeweilige Auskunftsfähigkeit. […]
Beim Lesenswert Quartett aber war nun voyeuristisch auch deshalb deutlich weniger zu holen, weil solche Auffahrunfälle dort schlicht seltener vorkamen. Die Runde bestand aus den seriösen Literaturkritikern Insa Wilke, Ijoma Mangold und Denis Scheck, die jeweils noch einen Gast dazu baten. Und dann wurde so wenig gefühlt und gefunden, dafür aber so viel gewusst und gerungen, wie es im Fernsehen sonst eigentlich nicht mehr vorkommt.
Und zwar aus guten Gründen, das Fernsehen ist für solche Gespräche eigentlich nicht das richtige Medium. Das sieht man unter anderem an den übereifrig sich um den Tisch rekelnden Kulissen, die unter der Aufgabe, die visuelle Statik dieser Sendungen zu kompensieren, fast zerbrechen. Auch Marcel Reich-Ranicki hat das gewusst und aus der Unvereinbarkeit von Literatur und Fernsehen eine Figur erschaffen, die bald sehr viel bekannter war als der schreibende FAZ-Literaturchef gleichen Namens. Der Charme solcher Sendungen – und möglicherweise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an sich – besteht aber gerade darin, dass er die Mittel und den Auftrag hat, sich den Geboten des Publikumsbetriebs eben nicht unterwerfen zu müssen. […]
Das Wissen, das verloren geht, wenn solche Sende- und Produktionsbetriebe einmal eingestellt sind, ist jedenfalls nicht einfach wiederherzustellen. Das gilt für jede Lokalredaktion, die nicht mehr die Arbeit kommunaler Gremien dokumentiert. Das gilt aber eben auch für alle Redakteure, die sich nun auch beim SWR nicht mehr über Bücher beugen.
Felix Stephan, sueddeutsche.de, 25.06.2024 (online)