Zitiert: ARD-Hörspiel-Verluste

Insgesamt standen der Jury im vorigen Jahr 113 Stücke zur Verfügung, das sind 28 Prozent weniger als eigentlich möglich. Von den elf deutschen Kulturprogrammen plus den beiden aus Österreich und der Schweiz wäre theoretisch eine Auswahl aus insgesamt 156 Stücken möglich, wenn denn jeder Sender eine Ursendung pro Monat zustande bringen würde. Das ist schon seit Jahren nicht mehr der Fall und es liegt nicht vorrangig an den Produktionseinschränkungen durch die Pandemie, sondern an dem ungebrochenen Kürzungswillen der Sendeleitungen.

So wurden beispielsweise Druck und Versand der schön gestalteten Hörspielbroschüren von NDR und Südwestrundfunk (SWR) eingestellt. Auch beim MDR ist die Zeit der zusammengetackerten DIN-A4-Blätter vorbei, mit denen monatlich auf zwölf Seiten das Hörspiel- und Feature-Programm dokumentiert wurde. So verschwindet jener Teil des medialen Erbes, der sich nicht im linearen Programm sang- und klanglos versendet oder im Internet nach einer gewissen Zeit depubliziert wird, sondern der in den Archiven von besseren Zeiten kündet. So viel Pathos darf schon sein, wenn man die Geschichte der Druckerzeugnisse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrachtet. Früher wurden sogar ganze Programmbücher gedruckt. Lediglich der Bayerische Rundfunk und der Saarländische Rundfunk (SR) geben Halbjahresprogramme noch in Printform heraus.

Was einem da nicht nur an ästhetischem Mehrwert, sondern auch an schneller Zugriffszeit und einfacher Navigation fehlt, merkt man besonders, wenn man sich die Webpräsenz des Hörspiels in der ARD und den Landesrundfunkanstalten ansieht. Auch hier ist nichts wesentlich besser geworden. Offensichtlich hat man „Online first“ mit „Online, das Erstbeste“ übersetzt. In der ARD-Audiothek werden Einzelhörspiele und jede Wiederholung als „Neueste Episoden“ beworben. Die Informationen zu den Stücken dort rudimentär zu nennen, wäre geprahlt. Darüber hinaus sind sie noch unzureichend indiziert und damit schlecht durchsuchbar. Diese Behandlung könnte man stiefmütterlich nennen, wenn das nicht ein so patchwork-familienfeindlicher Begriff wäre. Offenbar will man in Netz gar nicht so präsent sein, weil man damit zugeben würde, dass man auch ganz anders könnte, wenn man denn wollte.

Im linearen Programm ist das ähnlich. Die letzte Verlustmeldung kommt vom NDR, da wurde der sonntägliche Hörspieltermin auf NDR Info gestrichen. NDR Info, das ist der Sender, auf dem Features und Hörspiele wegen der Nachrichten alle halbe Stunde unterbrochen wurden. Deutlicher kann wohl kaum demonstrieren, welche Wertschätzung man seinen aufwendigsten Produkten entgegenbringt.

Jochen Meißner, medienkorrespondenz.net, 16.3.2021 (online)

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