Die Politik hat in den vergangenen Jahren viel versprochen, um robusten und unabhängigen Journalismus zu unterstützen. Passiert ist wenig. Ob es um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit geht, um Startup-Förderung oder die Probleme bei der Zeitungszustellung – wie können die Rahmenbedingungen für Journalismus in Deutschland besser werden? […]
Die wirtschaftlichen Korrosionserscheinungen der Medien triggern diesen demokratieschädlichen Abwärtstrend. Auf der ganzen Welt muss der hergebrachte Journalismus daher um eine Impact-Krise fürchten, die unmittelbar mit seiner „Deökonomisierung“ – also dem schleichenden Verschwinden von stabilen Geschäftsmodellen – zu tun hat. Die Bedeutung der Medienvielfalt wird in Sonntagsreden häufig beschworen. Umso mehr muss die neue Regierung jetzt den Fokus darauf legen, dass der Journalismus Unterstützung erhält, um seine Krisen abfedern zu können und die Branche etwas weniger aufgeregt auf das eigene Siechtum blickt. In den Fokus sollten vor allem Neugründungen rücken, die ihre Zielgruppen neu entschlüsseln, inhaltliche Lücken im Lokalen füllen oder Konzepte entwickeln, um der journalistischen Kommodität zu entfliehen. Es geht, im Ganzen gesehen, um die Suchbewegungen nach einem humanen, also menschenzentrierten Journalismus.
Ich habe in den vergangenen Jahren viele Medien leiden und dann aufgeben sehen, manche verschwinden einfach sang- und klanglos von der Bildfläche, andere erhalten Mini-Nachrufe in den Branchendiensten. Einige kämpfen jeden Tag ums wirtschaftliche Überleben. Der Kampf ist oft mit absurd hoher finanzieller Selbstausbeutung und noch mehr persönlicher Hingabe verbunden. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass kleine Medien-Startups wie TheBuzzard, Amal, Berlin!, RUMS oder Relevanzreporter bisher überlebt haben. Das Gute, das sich an solchen Best-Practices zeigt: Es gibt offenkundig noch Leute, die keine Scheu haben, sich ganz dem Journalismus zu verschreiben. Denen es etwas bedeutet, dass sie auch im Kleinen einen großen Unterschied machen. Solche Gründungen könnten Teil einer Lösung sein, um Medienerosion, Big-Tech-Herrschaft und dem sozialen Wertewandel konstruktiv zu begegnen. Aber auch die Förderung bestehender Medien, die einen demokratierelevanten Job machen, darf nicht vergessen werden: Vor allem Nischen- und Fachmedien und von Großverlagen unabhängige journalistische Lokalangebote.
Allein das, was in den letzten Jahren initiiert wurde, ist zu wenig. Und das, was durch die Ampel-Koalition zuerst hoffnungsvoll stimmte, liegt mit dem abrupten Regierungs-Aus auf Eis. Die gesetzliche Verankerung des gemeinnützigen Journalismus, die strukturelle Medienförderung des Kulturstaatsministeriums von Claudia Roth, die Idee einer nationalen Pressehilfe und die Zustellförderung: SPD, Grüne und FDP haben es versäumt, während ihrer Regierungszeit eine Presseförderung auf den Weg zu bringen, obwohl sie es im Koalitionsvertrag fest versprochen hatten mit dem Ziel, die „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“ zu gewährleisten.
Jahrelang hatten die Zeitungsverleger auf staatliche Zustellförderung und die Senkung der Mehrwertsteuer für Presseerzeugnisse gehofft, auch ein „Medieninnovationsfonds“ oder strukturelle Innovationsförderungen sind seit Jahren im Gespräch. Doch den charmanten Worten von Politikern, die unabhängige Presse nachhaltig zu fördern, folgten selten Taten. Es sollte zur Aufgabe der neuen Regierung gehören, den Grundstein für einen resilienten Journalismus zu legen. Die Situation, wie sie sich jetzt für viele Kollegen darstellt, ist weder nachhaltig noch motivierend. Vor allem nicht für Gründer.
Stephan Weichert, journalist.de, 07.03.2025 (online)