In einer Doku wird der Medienanwalt Christian Schertz porträtiert. Sie zeigt, warum man zwischen Moral und Recht trennen muss. […]
Im Film macht Schertz klar, dass die Moralisierung in der Gesellschaft gerade mit Blick auf Verdachtsberichterstattung und MeToo destruktive Wege beschreiten würde. In der Doku gelingt es dem Anwalt, verständlich zu machen, dass Journalisten die Macht haben, mit Berichten die Existenz von Menschen zu zerstören.
Das Besondere daran ist, dass diese zerstörerische Kraft nicht nur Boulevardblättern obliegt, sondern insbesondere auch seriösen Medien wie Zeit und Spiegel. Umso mehr wirken die Statements von Christian Schertz wie ein Appell an Journalisten, besonders gründlich und gewissenhaft zu arbeiten. Karl-Theodor zu Guttenberg erscheint als Zeuge in der Doku und sagt einen Satz, der nachhallt: Journalisten, die sauber recherchieren, müssten sich vor Christian Schertz nicht fürchten. […]
Diese Aussage ist wahr und unwahr zugleich. Mit zu einer komplizierten Wahrheit gehört auch, dass Schertz journalistische Berichte zerstören und nachträgliche Schwärzungen durchsetzen kann, auch wenn Berichte im Kern stimmen. Bei sexueller Gewalt ist es ungeheuer schwierig, Täter zu überführen und Aussagen von Opfern gerichtsfest zu machen. Für Schertz gilt die Unschuldsvermutung; die Form der Verdachtsberichterstattung widerspricht diesem juristischen Grundsatz. Ein unauflösbares Dilemma.
Tomasz Kurianowicz, berliner-zeitung.de, 15.05.2024 (online)