Vor 80 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Dem Jahrestag will sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen natürlich nicht verschließen – schafft es auf erstaunliche Art aber doch.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Informations- und Bildungsauftrag, zu dem unbedingt auch gehört, über das Verbrechen der Shoah aufzuklären. Nicht bloß am internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, aber an diesem besonders. Was also bekommt man zu sehen, wenn man am Montag, 27. Januar, um 20.15 Uhr seinen Fernseher einschaltet? […]
Kurz bevor die Programmplätze dreistellige Ziffern haben, dann doch: Anne Franks Wiener Stiefschwester – Das Mädchen, das überlebte auf Phoenix. Und Auschwitz – Überleben in der Hölle auf ZDF Info. Daran sind zwei Dinge auffällig: Beide Dokumentarformate suchen das Positive im Schrecklichen, picken sich rare Geschichten des Davonkommens heraus. Zeigen also das radikal Atypische, die vorgeblich tröstliche Ausnahme. Auch diese Schicksale gehören zum Holocaust, klar, aber die Filme darüber mogeln sich eben doch am Eigentlichen vorbei. Und, die zweite Auffälligkeit: Der Marktanteil von ZDF Info liegt unter zwei Prozent, der von Phoenix bei weniger als einem. […]
Fakt ist aber auch: Ein und derselbe Text wird viel häufiger gelesen, wenn er statt auf Seite 21 auf Seite 3 einer Zeitung steht, wenn er oben auf einer Nachrichten-Website steht und nicht an fünfunddreißigster Position. Und so hat eben auch, die Einschaltquoten zeigen es tagtäglich, jeder Film automatisch ein viel größeres Publikum, wenn er im Ersten läuft statt bei Arte, weil hier eine schlechte Quote in absoluten Zahlen immer noch weitaus besser ist als eine gute dort. Hat mehr Zuschauer, auch wenn er um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird und nicht um 22.45 Uhr.
Stefan Fischer, sueddeutsche.de, 24.01.2025 (online)