Wir erleben keinen Betriebsunfall, sondern eine schwere Havarie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der immer tiefer in eine Legitimationskrise gerät wie noch nie seit Gründung der ARD im Jahr 1950. Die bisherige RBB-Chefin lässt dieses Dilemma erst recht zur Vertrauenskrise werden.
Die Gründe dafür sind bekannt. Vorrangig zählt dazu ein Reformstau, den sich die ARD-Anstalten wie das ZDF aufgeladen haben und nun nicht mehr abtragen können. Ein Ausnahmezustand, der nicht seit ein paar Jahren rumort, sondern seit 1990/91, als die Neuordnung der Fernseh- und Hörfunklandschaft in Ostdeutschland eine Reform des gesamten Systems nahelegte. Doch wurde die bewusst umgangen. […]
Es galt das Prinzip Restauration statt Reform. Versagt haben damals neben den jeweiligen Intendanzen vor allen die Länder, die der ihen per Grundgesetz zugestandenen Rundfunkhoheit nicht nachkamen. Ein strukturkonservatives Besitzstandsdenken betrachtete Landesrundfunkanstalten als Domäne politischer Einflussnahme und Erbhof regionaler Machtvollkommenheit. Davon durfte nichts aufs Spiel gesetzt werden. […]
In den meisten Staatsverträgen zu ARD-Anstalten steht sinngemäß, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „Sache der Allgemeinheit“ ist. Dies definiert das Mandat eines Rundfunkrates und meint nicht das gute Einvernehmen mit einer fragwürdigen Intendantin. […]
Es ist für Häuser wie den RBB keine lästige Pflicht, sondern existenzielle Notwendigkeit, bei Finanzen unangreifbar zu sein. Jeder Eindruck von Verschwendung und Intransparenz ist zu vermeiden.
Lutz Herden, freitag.de, 9.8.2022 (online)