Die „Tagesschau“ berichtet intensiver über das britische Königshaus als über Hungersnöte, der Sport bekommt mehr Sendezeit als alle Länder des Globalen Südens zusammen. Deren mediale Vernachlässigung ist nichts Neues. Aktuell aber drohen sie ganz in der Nichtbeachtung unterzugehen.
In der 1. Jahreshälfte 2022 setzte sich die mediale Marginalisierung der Länder des Globalen Südens weiter fort und erreichte ein beispielloses Ausmaß. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Corona-Pandemie als dominierendes Thema in den Nachrichten abgelöst. Insgesamt beschäftigte sich die „Tagesschau“ in etwa 41 Prozent ihrer Sendezeit mit dem Krieg und seinen Auswirkungen. Auf die Pandemie entfielen etwa 11 Prozent der Sendezeit aller Berichte (2020 waren es circa 45 Prozent und 2021 etwa 35 Prozent). Dramatische Katastrophen, die sich zeitgleich im Globalen Süden ereigneten, wurden nur randständig oder überhaupt nicht aufgegriffen.
Seien es die extremen Hitzewellen auf dem indischen Subkontinent, die Menschenrechtsverletzungen in der Bürgerkriegsregion Tigray, die allgemein angespannte humanitäre Lage in Äthiopien oder die heftigsten Fluten in Bangladesch und Indien seit Jahren, die Millionen Menschen obdachlos machten: Alle diese Themen tauchten in den deutschen Nachrichten nur marginal auf. Vor allem aber auch die katastrophale Ernährungslage in den von Krieg zerstörten Ländern Syrien, Jemen sowie Afghanistan, wo laut den Vereinten Nationen gegenwärtig etwa 23 Millionen Menschen (und damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung) im Land unter „akutem Hunger“ leiden, fanden fast gar keine Berücksichtigung.
Ladislaus Ludescher, kontextwochenzeitung.de, 3.8.2022 (online)