Gerhart Baum: Eine entscheidende Mitwirkungsmöglichkeit von innen besteht über die Gremien der Sender. Sie repräsentieren die »Allgemeinheit« und entscheiden innerhalb des gesetzlichen Rahmens über das Programm und dessen Finanzierung. Sie haben das letzte Wort innerhalb der Sender. Bisher standen sie im Schatten der anderen Akteure. Jetzt müssen sie ihre Verantwortung noch entschiedener wahrnehmen. Sie haben in der neuen Medienordnung einen Gestaltungsauftrag und nicht nur einen zur nachlaufenden Kontrolle. Nun sind sie gefordert, Qualitätsziele festzulegen und zu kontrollieren. Ihr Entscheidungsspielraum ist maßgeblich erweitert worden. Sie müssen sich stärker vernetzen. […]
Das Verhältnis der Politik zu den Sendern ist immer noch nicht von dem Prinzip der Staatsferne geprägt. Das spüren wir in den Gremien. Die parteipolitischen Freundeskreise haben erheblichen Einfluss. Besonders ärgerlich ist, dass die Vertreter der Parteien den Zustand des öffentlich-rechtlichen Systems lautstark beklagen, aber ihre Entsandten in den Gremien so gut wie nichts unternommen haben, um das zu ändern. Unsere Vorschläge fanden dort kein Echo. […]
Rundfunkfreiheit bedeutet Programmautonomie. Limitieren die Länder von vornherein das Finanzvolumen, dann wird diese Autonomie, die allerdings nur unter bestimmten engen Voraussetzungen eingeschränkt werden kann, verletzt. Es sind die Sender, die entscheiden, wie sie den Rundfunkauftrag wahrnehmen. Es ist den Politikern immer schwergefallen zu verstehen, dass das Grundgesetz keinen »Staatsrundfunk« kennt. […]
Eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft haben Kunst und Kultur. Kunst gedeiht nur in einer freien Gesellschaft, aber sie trägt auch zu deren Lebens- und Überlebensfähigkeit wesentlich bei. Es gilt das Schiller-Wort: »Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.« Die Sender haben eine wichtige Funktion in unserem Lande, Kunst und Kultur zu ermöglichen. In den Zeiten allgemeiner Unsicherheit ist dieser Auftrag noch wichtiger geworden. Die Privaten erfüllen ihn nicht. […]
Rundfunkauftrag heißt auch, dass ein Programm gefördert wird, das nur Minderheiten interessiert und relativ kostenaufwendig ist. So hat Karlsruhe das interpretiert.
Entscheidend für das Gedeihen der Demokratie ist Vielfalt – thematische, journalistische und kulturelle Vielfalt. Wenn die geplanten Kompetenzzentren und die Konzentrierung von Aufgaben auf einzelne Anstalten auf Kosten der Vielfalt erfolgen sollten, dann ist Widerstand geboten. Die simple Forderung »Einer macht etwas für alle« kann hier nicht greifen. […]
Die Erfüllung des Programmauftrages kann auch nicht darin bestehen, dass man lediglich erfasst, was denn die Nutzer hören und sehen wollen. Nein, man muss sich in den Sendern auch fragen: »Was müssen sie denn erfahren, was müssen sie wissen, welche unterschiedlichen Meinungen müssen sie kennenlernen?«
Gerhart Baum, politikkultur.de, 30.3.2023 (online)