Der typische neurechte Text beschreibt die Gegenwartsgesellschaft als eine Welt, in der die Autorität erodiert: als eine entgrenzte und fragmentierte Welt, die an ihren inneren Widersprüchen zugrunde geht. Dazu wird direkt das passende Gegenmittel angeboten, nämlich die Wiederaufrichtung von Autorität und Ordnung, die mit verschiedenen Strukturen identifiziert wird, sei das die Nation, Familie oder andere identitäre Ersatzentwürfe – das ist dann im Grunde austauschbar. Die Krisendiagnose, auf die das alles hinausläuft, lautet Dekadenz. Benedikt Kaiser kommt in jedem seiner Bücher zu dem Fazit, dass die Gegenwart dekadent sei.
Im Grunde sind dann alle diese Bücher gleich aufgebaut. Seit der Französischen Revolution finden sich immer wieder die gleichen Verfallsdiagnosen mit den gleichen Beschreibungen, den gleichen Semantiken und den gleichen Lösungsangeboten. An dieser Redundanz wird schon deutlich, dass das vor allem eine Projektion ist. Die Krisendiagnose steht im Grunde schon fest und ist tief im rechten Kanon verankert. Dann schaut man in die Gesellschaft, sucht sich sehr selektiv Phänomene heraus, die diese Beschreibung stützen, und packt wieder einmal das Label Dekadenz darauf. Fertig ist ein neues Buch. […]
Es geht dabei vor allem um Ornamentik, also eine Architektur, die nicht rational und funktional ist, sondern kitschig. Ornamente drücken etwas aus, was im Kern gar nicht vorhanden ist. So können wir auch die rechte Theorie verstehen. An ein rechtes Lebensgefühl werden quasi einfach Ornamente von intellektueller Anmutung gepackt, um sich als intellektuell und belesen zu inszenieren. Und offensichtlich wird das auch von außen wertgeschätzt, obwohl es einfach nur Kitsch ist – wie eine Stuckfassade vor einem Betonbau. Es ist vor allem eine Theorie-Ästhetik, die dort simuliert wird.
Felix Schilk, nd-aktuell.de, 12.07.2024 (online)
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