Warzel beklagt die Alternativlosigkeit in einer durchkommerzialisierten Umwelt. Wer sich entscheidet, nicht mehr mitzumachen, findet schnell heraus, dass es kaum ausreicht, Werbeblocker zu installieren und alternative Browser zu benutzen. Das eigene digitale Dasein zu organisieren, wird auf einmal zum Vollzeitjob, zum Aktivismus in eigener Sache. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen gibt es inzwischen eine kleine, doch stetig wachsende Zahl von Menschen, die genau das wollen. Hippe Künstlerkollektive schreiben Manifeste über Datensouveränität und errichten parallele Serverarchitekturen. […]
Auf der einen Seite das kommerzielle Web, das allein deshalb besteht, um die Nutzer zum Klicken zu bewegen. Auf der anderen Seite das simple Web, gebaut aus einfachen HTML-Seiten, losen Verknüpfungen und allenfalls einigen RSS-Feeds, die man selbst zusammenstellen muss. Die parallelen Welten bleiben voreinander unsichtbar. Ein Kompromiss zwischen beiden Welten, so Dricot, sei kaum mehr möglich. „Entweder man verwendet all seine Rechenkraft, um Javascript laufen zu lassen, oder man läuft den großen Monopolisten davon.“ Was dann passiert? Der Online-Shop wird sich die Einkäufe nicht mehr merken, die Suchergebnisse werden andere sein und damit die Wissensaneignung. Ortsangaben und Schritt-für-Schritt-Routenanweisungen? Gibt es hier nicht. Es ist ein anderes Web – und damit beinahe ein anderes Leben, das man beginnt. Eines, das einfacher und anstrengender zugleich ist.
Michael Moorstedt, sueddeutsche.de, 17.9.2023 (online)