Der Blick des Satirikers nach oben zu den Mächtigen hat seine Wirkungslosigkeit längst offenbart. Es macht auf Dauer keinen Spaß, einem ans Schienbein zu treten, wenn der nicht schreit. Es mag mit ein Grund sein, warum politisches Kabarett so unpopulär geworden ist.
Der Blick des Satirikers in die Mitte der Gesellschaft eröffnet zwei mögliche künstlerische Strategien.
Die erste besteht darin, seinesgleichen den berühmten Spiegel vorzuhalten. Was inhaltlich meist belanglos bleibt oder den Künstler unbeliebt und einsam macht (Ausnahmen wie Loriot und Gerhard Polt bestätigen mit ihrer literarischen und ironischen Qualität die Regel).
Die zweite Option besteht in der Verbrüderung mit seinesgleichen. Man schafft Humor durch identifikatorische Komplizenschaft. Jedes „Kennste?“ mit Fragezeichen trägt das „Kennste!!“ mit doppeltem Ausrufezeichen schon in sich. In dieser Kategorie bewegt sich das Gros der Comedy, die nicht den geringsten Anspruch auf gesellschaftliche Kritik stellt, weil Amüsement als Funktion vollauf genügt. Wettbewerbe wie das Passauer Scharfrichterbeil leiden spürbar darunter, ihnen kommen sukzessive die gesellschaftlich relevanten Kandidaten abhanden, die Auszeichnung geht vermehrt an Spaßmacher und Musiker. Jeder Preis ist ein Spiegel des Marktes der Kandidaten.
Wenn aber der Blick nach oben den Künstler frustriert und der Blick nach vorne geradewegs und ausweglos in den Mainstream führt, dann könnten ganz mutige Satiriker auf die Idee verfallen, zur Abwechslung einmal nach unten zu blicken, ob sich dort nicht ein neuer Gegenstand des Spotts findet.
Leider findet er sich.
Raimund Meisenberger, Passauer Neue Presse, 21.06.2023 (online)