Diese demokratische Öffentlichkeit gerät seit einigen Jahren in das Blickfeld der Sicherheitspolitik. Die Nationen der NATO und der EU sehen sich „Hybriden Bedrohungen“ ausgesetzt, zu denen auch Desinformationsaktivitäten gerechnet werden. Die Aufgabe, geeignete Maßnahmen zur Abwehr möglicher Risiken durch Desinformationen abzuleiten, erzeugt einige konzeptionelle Herausforderungen.
Neben der Klärung, welches Mandat die Regierung in diesem Kontext gegenüber der Öffentlichkeit ausübt, gehört auch dazu, die Implikationen für die Freiheitlichkeit und die Konventionen der öffentlichen Debatte besonders zu berücksichtigen. Der folgende Beitrag referiert zunächst aus einer PraxisperspektiveFootnote 1 exemplarisch den Stand der einschlägigen sicherheitspolitischen Debatte, ihr zugrundeliegender Annahmen und bisheriger Maßnahmen. Danach werden, insbesondere hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit konventioneller Kriegführung, Schlussfolgerungen gezogen und weiterführender Forschungsbedarf skizziert. […]
Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes erzeugen Desinformationsaktivitäten das immanente Risiko einer Überreaktion oder Reaktion mit untauglichen Mitteln und unbeabsichtigten Effekten. Beispielhaft lassen sich solche Risiken an der Vokabel ‚Informationskrieg‘ festmachen, die in der Debatte oszilliert. Der Begriff suggeriert … einen quasi ballistischen Schlagabtausch mit Informationen, die wie Waffen eingesetzt würden. Tatsächlich ist der Begriff jedoch in der Terminologie der NATO nicht definiert. Wenn ‚information war‘ … tatsächlich die russische Entsprechung zum Konzept der ’strategic communication‘ wäre – sind demokratische Staaten dann gut beraten, die Terminologie und die daran geknüpften Implikationen von ihren Gegnern zu übernehmen? Sollen sie sich – ungeachtet der Frage, ob das so überhaupt funktioniert – ernsthaft selbst mit ‚Informationswaffen‘ verteidigen, indem sie auf Öffentlichkeiten ‚einwirken‘?
Adrian Teetz, Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 2.2.2023 (online)