Selbstverständlich folgt, um im Lande zu bleiben, ein Bundespräsident oder Kanzler allfälligen Einladungen in Zeitungsverlage, spricht bei Jubiläen, feiert ausgiebig die „vierte Gewalt“, bezeichnet die Arbeit der Journalisten und Reporterinnen als unabdingbar, sogar wesentlich für die Demokratie, aber natürlich ist ihm jede Form von aufrichtigem Herrscherlob lieber: die aufmerksame Reportage aus dem Wohnzimmer inkl. Frau und Hund, das liebevolle Feuilleton, das zugewandte Interview, aus dem die gerührte Wählerschaft erfährt, dass der Staatschef nachts nicht schlafen kann, weil er an den Braunkohletagebau, Deutschland, Heinrich Heine und an sich selbst zuletzt denkt. […]
Diese Pressefreiheit, die den Regierenden so lästig ist, kommt aus der Aufklärung, und nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie auf dem Umweg über Amerika auch nach Deutschland. Die Medien, also das, was früher die Presse genannt wurde, haben damit sogar das Recht, mit ihrer Berichterstattung, die den Herrschenden schaden kann, mit den Missständen, die sie aufdecken, Geld zu verdienen.
Willi Winkler, sueddeutsche.de, 07.03.2025 (online)