Die Qualität der Berichterstattung in Nachrichtenmedien schätzen die Befragten zwar durchweg als recht gut ein, aber der genau Blick – z.B. auf Deutschland – lässt aufhorchen: Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich zwar aktuell informiert, aber deutlich weniger als die Hälfte hat das Gefühl, genügend über die Auswirkungen des Kriegs oder über die verschiedenen Sichtweisen zu erfahren.
Mehr erklären, auch damit gerade Jüngere die Hintergründe des Kriegs besser verstehen, dürfte Medien weniger schwer fallen, vermutlich aber die Erwartung, dass sie den Ukrainekrieg stärker aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Denn genau an diesem Punkt hat sich eine mediale Schlagseite etabliert. Sie erfasst nicht alle Medien, aber viele und ist aus mehreren Gründen riskant. Zweierlei fällt besonders ins Gewicht: Die schier bedingungslose, freiwillige Solidarität mit der Ukraine bis hin zu einer Art „Wir-Gefühl-Rausch“, und die Unerbittlichkeit, mit der jene angegriffen und in Schubladen gesteckt werden, die andere Argumente vorbringen. […]
In vielen Talkrunden und Kommentaren wird zum „Wir“ aufgerufen. Mehr Zurückhaltung wäre besser – und an sich selbst adressiert müsste Journalistinnen und Journalisten klar sein, dass sich im „Wir“ auch die Wirksamkeit öffentlicher Diplomatie (Public Diplomacy) widerspiegelt. Das „Wir“ ist ein ukrainisches Narrativ.
Marlis Prinzing, meedia.de, 17.6.2022 (online)