Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beispielsweise steht zwar ganz vorn im Grundgesetz, nämlich im Artikel 2, gleich nach der Menschenwürde also; aber das Grundrecht entfaltet sich immer weniger, wenn man kein Handy nutzen kann oder nutzen will. Das Handy ist also ein Grundrechtszugangsgerät geworden. Das klingt abstrakt, ist aber sehr konkret.
Selbst die Angebote der Grundversorgung und der Daseinsvorsorge werden zunehmend an das Smartphone gekoppelt. Der zunehmende Digitalzwang belastet den kleinen und den großen Alltag; er ist eine Diskriminierung der Handylosen, die sich ein Smartphone nicht leisten können oder wollen. […]
Digital Detox, die digitale Entgiftung, ist also nicht einfach eine Lifestyle-Frage. Es geht um den sehr bewussten Verzicht auf eine Technik, die umfassende Überwachung beinhaltet. Wer sagt, er habe nichts gegen die Überwacherei, weil er nichts zu verbergen habe, der mag sich dem Digitalzwang und dem Überwachungskapitalismus fügen. Wer nicht so wurstig ist, der braucht die Wahlfreiheit zwischen einem digitalen Dasein und seinem analogen Sosein. Das Recht auf ein analoges Leben ist ein Recht des mündigen Bürgers; es ist ein demokratisches Grundrecht, ohne eine Überwachungsapparatur namens Smartphone Zugang zu seinen Grundrechten zu haben.
Heribert Prantl, sueddeutsche.de, 07.12.2023 (online)