Schlechte Zeiten sind gut für den Journalismus, heißt es gern. Dass die Zeiten heute schlecht sind, ist nicht zu bestreiten. Dass sie gut für den Journalismus sind, schon eher. Aber womöglich ist einfach der Journalismus nicht so gut, wie er zu diesem Zweck sein müsste. In den Netzwerken werden die klassischen Medien oft als Mainstream-Medien gescholten; die Schelte schwillt an bis zur groben Beleidigung, zur üblen Nachrede und zur Verleumdung. „Lügenpresse“, rufen die, die aus guten Gründen schlecht wegkommen. Aber weder die berechtigte noch die bösartige Kritik wird dadurch besänftigt, dass sich die klassischen Medien, die mit dem professionellen Journalismus, sich selbst als Qualitätsmedien bezeichnen. Wenn diesem Journalismus Einseitigkeit vorgeworfen wird, soll er darauf nicht einfach nur sagen, dass das nicht stimmt; er soll zeigen, dass das nicht stimmt. Die Qualität entsteht nicht durch die ständige Frage: Wie schafft man Klicks? Die wichtige Frage lautet: Wie schafft man Vertrauen? Dann kommen auch Klicks, Reichweite und Auflage.
Die große Gefahr für den Journalismus geht hierzulande nicht vom Staat und seinen Behörden aus, die Gefahr geht vom Journalismus selbst aus – wenn er nicht so gut ist, wie er sein könnte, wenn er schludert, wenn er selbstreferenziell wird, wenn ihn Verleger und Eigentümer wegen echter oder vermeintlicher Sparzwänge kaputt machen. Das Bedürfnis nach Information und Aufklärung, nach Orientierung und Einordnung war und ist groß wie lange nicht mehr. Wenn dieses Bedürfnis befriedigt wird, entsteht Vertrauen. Es ist das Fundament, auf dem die Pressefreiheit gedeiht.
Heribert Prantl, sueddeutsche.de, 02.05.2024 (online)
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