Big Data erledigt also nicht nur das Spurenparadigma, sondern mit dem Predictive Policing schaltet die Kriminalistik auch von der Vergangenheits- zur Zukunftsorientierung um. Damit verabschiedet sich die grundlegende Bauform der Kriminalliteratur – die Doppelstruktur von Ermittlungs- und Verbrechensgeschehen -, wie sie mehr oder minder seit der Spätaufklärung und dem Shift vom Geständnismodell zum Ermittlungsmodell existiert. Mit der Datenkorrelation wird der Detektivroman an sich fraglich.
Gegenwärtige Kriminalliteratur, die diesen Stand der Dinge nicht reflektiert, ist naiv. Oder nicht realistisch. Um nicht zu sagen: fahrlässig. Denn sie handelt von einer Welt von gestern.
Karl Wolfgang Flender, sueddeutsche.de, 15.04.2020 (online)