Ich unterstütze aber die These, dass im Journalismus über Negatives öfter und größer berichtet wird als etwa über Lösungsansätze oder vielleicht auch langfristige und ermutigende Tendenzen. Wenn man redaktionell arbeitet, guckt man natürlich auf das, was anders ist als gestern, was sich knackig und überschaubar verändert hat. Und das ist oft etwas Negatives. […] Journalisten sollen über Themen berichten, die neu, faktisch und relevant sind. […]
Journalisten sollten auf jeden Fall die vierte Gewalt sein und Kritik und Kontrolle üben. Aber nicht alles, was negativ ist, ist auch wirklich relevant. Und: Kritische Berichterstattung muss nicht immer nur das Aufdecken von Missständen bedeuten. Ich kann auch Beispiele recherchieren, wo es woanders besser gemacht wird und damit die lokalen oder nationalen Machthaber indirekt unter Druck setzen, weil das Publikum dann weiß: Es ginge ja auch anders. […]
Wenn ich Lösungsansätze vorstelle, tue ich das zwangsläufig auf einer Wertegrundlage und unter bestimmten Prämissen, die nicht alle teilen. Wenn ich eine Klima-Lösung vorstelle, sage ich auch, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt, dass wir etwas dagegen tun sollten und dass dieser Lösungsansatz diskussionswürdig ist. Wenn ich ein Projekt zur Unterstützung und Integration von Geflüchteten thematisiere, schwingt mit, dass Geflüchtete unterstützt und integriert werden sollten. Zu Vielem gibt es keinen Konsens. Ein anderes Problem ist, wenn konstruktive Berichterstattung die Grenze zu PR oder Werbung überschreitet. Das muss vermieden werden: durch genaue Recherche und realistische Darstellung der Wirkungsweise von Lösungsansätzen und auch von deren Grenzen.
Uwe Krüger, uebermedien.de, 21.10.2024 (online)