Es scheint ein Muster vorzuliegen: Öffentlich-rechtliche Programmdirektoren streichen Kultursendungen, Künstler und Intellektuelle legen Einspruch ein, am Ende trifft man sich in der Mitte. …. Wenn man sich dann umhört unter den Kulturchefs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sie fragt, was sie eigentlich einzuwenden haben gegen Kritik und Kulturjournalismus, erhält man immer wieder die Antwort, dass die Entscheidungen zum guten Teil dem Medienwandel geschuldet seien und im Digitalen eben bestimmte Sachen nicht mehr funktionierten. … Die Frage ist eher, welcher Kulturbegriff den Formaten zugrunde liegt, die heute für das Netz entwickelt werden. Und dort regieren heute, nach allem, was man hört und sieht, das trübsinnige Primat der Niedrigschwelligkeit und die frivole Publikumsverachtung, die sich hinter dem Begriff „Vermittlung“ verbirgt. … Dass ein digitales Die Erfahrung zeigt, dass der öffentliche-rechtliche Rundfunk im Internet gerade dann große Erfolge einfährt, wenn er sich auf das Optimierungsspiel gar nicht erst einlässt. … Wenn man die Möglichkeiten des Internets mit den Möglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschränkt, und wenn man Kultur auch im Digitalen von ihrem Ideal her denkt statt von einer trübsinnigen Durchschnittsmetrik, dann wäre es um die abgesetzten Fernsehjournale im Zweifel nicht schade, denn dann könnten wir am Anfang eines Goldenes Zeitalters öffentlicher Intelligenz stehen.
Felix Stephan, sueddeutsche.de, 23.12.2020 (online)