Die Vorstellung, dass Journalismus neutral zu sein hat, verfestigte sich erst in der jüngeren Vergangenheit. In der Frühphase des Journalismus im 18. und 19. Jahrhundert waren Zeitungen zumeist entweder direkte Parteiorgane oder zumindest stark politisch gefärbt und meinungsbetont. Erst im 20. Jahrhundert fand eine Professionalisierung des Journalismus hin zu mehr Neutralität statt. Zwei Faktoren waren für diese Entwicklung ausschlaggebend. Zum einen haben westliche Mediensysteme im 20. Jahrhundert eine Kommerzialisierung durchgemacht, die der Medienwissenschaftler Kurt Imhof als “neuen Strukturwandels der Öffentlichkeit” beschreibt: Die ehemals stark ideologisch ausgerichtete Parteipresse wandelte sich zu profitorientierten Medien, die sich stärker der weltanschaulichen Neutralität verpflichteten. Die Zeitungen taten das, um ein breiteres Publikum anzusprechen – je grösser das Publikum, desto grösser die Abonnements- und Werbeerlöse.
Marko Ković, medienwoche.ch, 12.10.2021 (online)