Die Kulturbranche fiel im Lockdowndiskurs als schnöde Freizeitaktivität oft unter den Tisch. Zu Unrecht, denn ihr ökonomisches Gewicht ist beachtlich. In dem Monitoringbericht „Kultur- und Kreativwirtschaft 2020“, gerade herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, rangiert sie mit einer Bruttowertschöpfung von etwa 106 Milliarden Euro (2019) auf gleicher Höhe mit Maschinenbau (111 Milliarden) und deutlich vor den Finanzdienstleistern (74 Milliarden). Sie produziert doppelt so viel wie die Chemische Industrie (52 Milliarden). …. Das bedeutet nicht nur eine Verlagerung ins Digitale, sondern könnte zu stärkerer Monopolisierung und noch stärkerer Herausbildung von Massengeschmack durch wenige Plattformen führen. Experimentellere und weniger konventionelle Künstler*innen, die im Konzertbereich Chancen zur Durchsetzung des eigenen Stils hatten, werden weiter an den Rand gedrängt. …. Die Filmbranche wird durch Schließung von Kinos, rechtliche Unsicherheiten und Drehverbot gleich von zwei Seiten bedroht.
Bei der darstellenden Kunst, die sich digital nur begrenzt vermarkten lässt, seien vor allem Privattheater und freie Künstler*innen gefährdet. Die Pandemie könnte zur Konzentration auf den öffentlich geförderten Bereich führen. Der Monitoringbericht führt vor Augen, dass die Schließung kultureller Infrastruktur nicht nur Arbeitsplätze gefährdet, sondern leider auch einen Strukturwandel hin zu stärkerem Konformismus einzuleiten droht.
Tom Mustroph, taz.de, 16.12.2020 (online)