Die ganze Zeit passieren Dinge, die brutal und schockierend sind und in Rassismus und Polizeigewalt ihren Anfang nehmen, über die nicht berichtet wird. Und da kommt es dann eben nicht zu Protesten. Weil die Medien natürlich auch auf der ständigen Suche nach Sensationen sind. Dafür sind strukturelle Zusammenhänge viel zu kompliziert. […]
Ich glaube, die Medien der Mitte, auch der linken Mitte, haben ihre eigenen Vorstellungen von der Welt und an denen möchten sie festhalten. Und seit ein paar Monaten gibt es das Narrativ: Wo ist der Widerstand geblieben? Bei der letzten Trump-Regierung, 2017, gab es viele Proteste, schon zur Amtseinweihung, wo sind die jetzt? Bla, bla, bla. Und letztes Mal gab es doch gleich nach der Amtseinweihung diesen riesigen Frauenmarsch. Wo ist denn der? Das kann man doch alles empirisch mit Studien nachweisen, wie viele Proteste wann und wo stattfanden. Ich glaube, die Elitemedien lieben es, sobald sie ein Narrativ haben, das klug klingt, das einfach weiterzuverbreiten. Auch wenn es Beweise gibt, die dem widersprechen. Und ein Narrativ ist eben, dass die Proteste bei dieser Trump-Regierung nicht so stark sind wie beim letzten Mal. […]
Aber noch hält sich eben die Geschichte: Es gibt Proteste, aber nicht so stark wie letztes Mal. Das ist eben auch sehr viel einfacher zu erzählen. Das ist wie in der Schule, wenn man eine Arbeit schreiben muss. Man stellt eine These auf und dann sucht man sich Beispiele, um die These zu beweisen. Man muss einfach nur genügend Beweise haben und klug klingen.
Alice Hu, sueddeutsche.de, 12.05.2025 (online)