Eine neue Entwicklung der letzten Jahre ist die, dass Politikerinnen und Politiker bestimmter Parteien den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dämonisieren. Mittlerweile erfasst das auch die großen Volksparteien. Friedrich Merz hat sich unlängst ganz gezielt an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewandt mit dem Argument, dass dort eine linksgrüne Perspektive zu stark Widerhall finde und eine konservative Perspektive zu wenig – was nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand entspricht. Das ist eigentlich ein typisches Trump-Argument. Dass wir das jetzt auch aus dem politischen Mainstream hören, ist für mich in gewisser Hinsicht eine Zäsur in der politischen Landschaft. […]
Die Medien werden zunehmend zum Gegner stilisiert. Das halte ich für sehr gefährlich. Wohin das führen kann, sehen wir in den USA. Zu einer verstärkten Polarisierung, zu verstärkten Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten und zu einer verstärkten Abwendung von Medien und auch von der Politik. Das ist ein Spiel, bei dem alle verlieren. Ohne einen funktionierenden Journalismus, ohne eine funktionierende Politik und ohne ein funktionierendes Verhältnis zwischen beiden Akteuren kann Politik nicht reibungslos verlaufen. Die Kritik an politischem Handeln ist die Aufgabe von Journalismus. Man darf diese kritische Perspektive nicht als linke oder grüne Perspektive diffamieren. Ich glaube, dass wir da auf dem falschen Weg sind.
Thomas Hanitzsch, sueddeutsche.de, 1.10.2023 (online)
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