Der Mythos ist die Vorstellung, dass Maßnahmen zur Medienentwicklung – also Projekte, die hauptsächlich von westlichen Ländern finanziert werden, um freien, unabhängigen Journalismus im Globalen Süden zu fördern – von Natur aus nützlich sind. Jahrelang sind wir davon ausgegangen, dass Investitionen der Geber in die Ausbildung von Journalist:innen, die Bereitstellung von Ausrüstung und den Aufbau von Nachrichtenagenturen zwangsläufig in irgendeiner Weise zum gesamten Medienökosystem beitragen würden. […]
Nachhaltigkeit ist seit langem ein beliebtes Schlagwort in der Entwicklungszusammenarbeit, auch in der Medienhilfe. Meine Forschung zeigt jedoch, dass es sich dabei eher um ein narratives Mittel als um einen verlässlichen Indikator für die Wirkung handelt. […]
Ich habe festgestellt, dass das, was an einem Ort funktioniert, selten an einem anderen Ort funktioniert – es gibt also keine Einheitslösung. Vor allem ist mir aufgefallen, dass vor Ort innovative Ideen entstehen, die dazu beitragen, hartnäckige Stereotypen abzubauen, insbesondere die Vorstellung, dass bestimmte Gebiete aufgrund unzureichender Werbeeinnahmen zum Scheitern verurteilt sind. […]
Wie ich anhand der Analyse von 289 Evaluierungsberichten aus 20 Jahren zeige, verschleiert der Diskurs oft die finanziellen und politischen Abhängigkeiten zwischen Gebern, Projektdurchführenden, Evaluatoren und lokalen Partnern. Es handelt sich eher um einen geschlossenen Kreislauf der Selbstverstärkung als um einen offenen Prozess der kritischen Bewertung. Letztendlich führt dies vor allem zu dem, was einer der von mir befragten Schlüsselinformanten als „institutionellen Überlebenswille“ bezeichnet: Jeder hat seine eigene Selbsterhaltung im Blick.
Michel Leroy, ejo-online.eu, 23.04.2025 (online)