Der Soziologe Paul Attewell hat in einem Aufsatz 1994 die These aufgestellt, dass mit der Einführung der Informationstechnologie ein Wechsel vom mündlichen zum schriftlichen Medium einherging. Wurden Dinge vorher telefonisch oder von Angesicht zu Angesicht besprochen, nutze man jetzt Textverarbeitungsprogramme oder Mails, die in der Informationsvermittlung rund fünfmal langsamer als das gesprochene Wort sind. ChatGPT schreibt einem zwar schnell eine E-Mail, aber die landet dann wieder in irgendeinem elektronischen Postfach und produziert Rückfragen – und damit Mehraufwand.
E-Mails sind wahre Produktivitätskiller: Laut einer Studie der Carleton University verbringen in Kanada Angestellte im Durchschnitt ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Schreiben und Beantworten von E-Mails. Und das führt zu mehr Abwesenheit, Stress und Personalabgängen. Durch den Siegeszug der KI-Chatbots hat sich das Problem verschärft – so ist das Mailvolumen seit dem Start von ChatGPT von 333 Milliarden pro Tag auf knapp 376 Milliarden pro Tag angeschwollen. Das Problem ungelesener Mails kann auch die KI nicht lösen.
Adrian Lobe, berliner-zeitung.de, 16.07.2025 (online)