Journalismus braucht Vertrauen, weil er das Misstrauen zu seiner Maxime erklärt hat. Artikel 5 des Grundgesetzes sichert die Pressefreiheit aus diesem Grund: Die Kontrollfunktion der Medien besteht darin, Misstrauen zu institutionalisieren, alles zu hinterfragen, nichts zu glauben. Das ist das Versprechen des Journalismus an die Rezipienten: Vertraut uns, denn wir misstrauen für euch. Journalisten kontrollieren Institutionen und Personen, indem sie Missstände, Skandale, Fehlverhalten ans Licht bringen. Sie entlasten somit in einer Demokratie den Einzelnen und repräsentieren ihn, weil sie statt seiner Rechenschaft einfordern. Die Legitimation der vierten Gewalt speist sich aus dieser Rolle als Mittlerin. Wir werfen, stellvertretend für unsere Leser, einen professionell kritischen Blick auf die Welt. Es ist eine Ironie, dass dieser misstrauische Blick auf das Vertrauen der Rezipienten angewiesen ist.
Barbara Hans, journalist.de, 20.1.2021 (online)
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