Die Senderchefs sind nicht in der Politik tätig, wo man in einer anderen Kapitalform, nämlich Macht, entlohnt wird, sondern sie sind Medienverantwortliche, deren Entlohnung sich nach dem Medienmarkt richtet. Da sie aus Gebühren finanziert werden, belegen sie in der Entlohnung von Medienmanagern fairerweise die unteren Ränge – private Sender zahlen ein Vielfaches. Überraschend ist auch nicht die Stoßrichtung seiner Polemik, denn in vielen Ländern gibt es Bestrebungen, öffentliche Medien, eine Errungenschaft der Nachkriegszeit, kleinzuhalten – übrigens heftig befeuert von interessierten, konkurrierenden privaten Medienhäusern. […]
An Lindners Vorstoß ist etwas ganz anderes bemerkenswert: Lindner verhilft, in diesem Herbst der multiplen Krisen, einem für seine politische Klientel brandgefährlichen Gedanken zu neuer Konjunktur: der Frage nach der gerechten Entlohnung. Rechtfertigen soll sich, wer mehr verdient als der Bundeskanzler, denn, so die implizite Begründung, ein Gehalt solle sich nach bestimmten moralischen Kriterien wie der Verantwortung und dem öffentlichen Nutzen richten. […]
Schätzungsweise sind es 80 000 Deutsche, die mehr verdienen als der Kanzler – ist aber jeder von denen denn auch so viel wert?
Nils Minkmar, sueddeutsche.de, 21.9.2022 (online)