Tatsächlich neue Sichtweisen – und zwar empirisch unterstützt und nüchtern analysiert – liefert in seinem Beitrag Christian P. Hoffmann, der an der Universität Leipzig Kommunikationsmanagement lehrt. Er hat Forschungsergebnisse zusammengetragen, die vermeintliche Gewissheiten, die in vielen Diskursen vorkommen, infrage stellen – etwa jene über die Entstehung von Filterblasen, die er als „Mythos“ bezeichnet. „Der Gedanke ist verlockend plausibel und entspricht oft vermeintlich der persönlichen Erfahrung. Studie um Studie zeigt jedoch: Es sind nicht die Algorithmen, die unseren politischen Horizont verengen. Im Gegenteil, Nutzer sozialer Medien weisen in der Regel eine vielfältigere ‚Mediendiät‘ auf als solche, die sich vor allem auf klassische Medien verlassen.“
Auch das Thema Microtargeting – das Versprechen, durch personalisierte Onlinewerbung Wirkung zu erzielen – hält er für Prahlerei, und nach heutigem Stand der Forschung handele es sich „um eine Aufmerksamkeitsblase“. Der Zeitpunkt, wann der Diskurs über Tech-Konzerne vom Positiven ins Negative kippte, lässt sich nach Ansicht von Hoffmann genau datieren: 2016 mit dem Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten.
Alexandra Föderl-Schmid, sueddeutsche.de, 31.01.2021 (online)