Zitiert: Nur die Mitarbeiter können die Sender reformieren

Wie kann man Zehntausende Menschen vergessen? Wie kann man über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Debatte führen, ohne die Mitarbeitenden zu fragen? Bei ARD, ZDF und Deutschlandradio arbeiten – wie bei Zeitungen und Zeitschriften, Privatradios oder TV-Sendern – viele Menschen, fest angestellt oder in freier Mitarbeit. Sie tragen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, engagieren sich für Dokumentationen, Personalentwicklung und Sendemasten. Und sie werfen sich sogar auf Partys für den solidarfinanzierten Rundfunk in die Bresche – in Gesprächen, die der Feierlaune nur selten zuträglich sind. Nur wird es immer schwerer, beim Bier für unser System einzustehen. […]

Wer diese Mitarbeitenden fragt, was das Narrativ der ARD sein könnte, der bekommt Antworten. Eine lautet: Die Öffentlich-Rechtlichen sollten die versorgen, die sich den Zugang zu Paywalls und bezahlten Newslettern nicht mehr leisten können, und verhindern, dass die informierte Gesellschaft an der Wohlstandslinie zerfällt. […]

Viele Sender schreiben sich auf die Fahnen, eine „agile“, moderne Kultur zu leben, während sie in fast denselben Strukturen geführt werden wie vor 50 Jahren. Wo ist die Führungskultur, in der Menschen Führungsrollen übernehmen, ohne dafür ein Status-Upgrade zu fordern, das sich manchmal in teuren Büroumbauten und Massagesitzen zeigt? Eine Unternehmenskultur, die Austausch auf Augenhöhe, Wertschätzung und Mut fördert? In der Freie und befristet Festangestellte gleichwertig mitwirken und nicht aus Angst vor dem vorzeitigen Vertragsende den Mund halten. […]

Auch die Medienpolitik kann schon jetzt handeln – wenn nicht für die gesamte ARD oder das ZDF, dann doch für die regionale Anstalt vor der eigenen Haustür. Das Rundfunkrecht regelt, dass die Sender von einem Intendanten oder einer Intendantin geführt werden. Warum nicht ein Kollegialitätsprinzip einführen, um mehreren Stimmen Gewicht zu geben? Und warum nicht Personalräten oder Redaktionsausschüssen einen Sitz in der Geschäftsleitung und Stimmrechte in den Gremien zubilligen? Warum nicht die Impulse von denen nutzbar machen, die aus ihrer Arbeit ganz genau wissen, was nötig wäre für Veränderung, die wissen, wo Probleme liegen, die es mitkriegen, wenn Dinge nicht sauber laufen? (Paid)

Björn Staschen, sueddeutsche.de, 22.11.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)